Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
in Schottland werden sie zum Haferbrei serviert. Ganz ausgezeichnet für eine regelmäßige Verdauung.«
»Aye! Ganz vortrefflich, aye !«, prustete Munro.
»Hmmm …«, meinte Alexander, nahm den Käfer mit Daumen und Zeigefinger auf und steckte ihn unter den verdutzten Blicken der Männer in den Mund.
Er kaute lange und schloss die Augen, um gegen den unbezwingbaren Ekel anzukämpfen, der in ihm aufstieg. Dann schluckte er und schnalzte zufrieden mit der Zunge.
»Nicht schlecht!«, erklärte er der sprachlosen Versammlung. »Ein wenig klein, aber sehr schmackhaft!«
Der junge Chabot, der mit seinem Wassereimer zurückgekehrt war, schlug eine Hand vor den Mund und rannte wieder zum See, wo er sich übergab. Seine Reaktion löste allgemeine Heiterkeit aus, und alle begannen wieder zu essen. Le Revenant beugte sich strahlend zu Alexander hinüber.
»Tja, le Sauvage, ich glaube, du bist in der Lage, bis zum Grand Portage mitzuhalten. Jetzt bist du offiziell ein ›Speckesser‹ 13 , denn so nennt man uns.«
Der Turm der Kirche Sainte-Anne-du-Bout-de-l’Île 14 zeichnete sich schwach vor dem sich rasch verdunkelnden Himmel ab. Gleich nach dem Essen hatten sie sich in das Gotteshaus begeben, um der guten St. Anne, der Schutzpatronin der Voyageurs, ihre Gaben darzubringen. Ob Katholiken oder Protestanten, alle achteten ohne Ausnahme diese Tradition. Nachdem sie ins Lager zurückgekehrt waren, hatte van der Meer die offizielle Taufe der Neuen vorgenommen, die darin bestand, dass man mittels eines Zedernastes mit dem eiskalten Wasser aus dem See bespritzt wurde.
Ein wenig abseits von den anderen hörte Alexander den Männern zu, die freundschaftlich plauderten, während um sie herum der Tabakrauch aufstieg. Sie erzählten sich Anekdoten von zurückliegenden Reisen, die für die Neuen sehr spannend waren. Besonderes Interesse fanden die Geschichten über die schönen Frauen der Ojibwas oder Chippewas, die man als ebenso hübsch und raffiniert wie die Damen aus Montréal beschrieb, wenn auch auf eine andere Weise.
»Ihr kommt mir sehr ruhig vor, mein Freund«, sagte jemand hinter Alexanders Rücken. »Rutscht das Abendessen etwa nicht?«
Alexander fuhr herum und sah in van der Meers helle Augen. Wie lange stand der Hollandais wohl schon da und beobachtete ihn?
»Das Abendessen rutscht ohne Probleme. Ich fühle mich wohl so, das ist alles.«
»Le Sauvage … Hmmm, ich verstehe, warum die Männer Euch diesen Beinamen verliehen haben. Darf ich Euch Gesellschaft leisten?«
»Nur zu, Monsieur.«
»Sagt ruhig Kiliaen … oder Killie, wenn Euch das lieber ist. So nennen mich meine Freunde.«
Lächelnd setzte sich der Hollandais auf den Boden. Dann schaute er zu den Männern, die um das Feuer saßen.
»Ihr habt Eure Aufnahmeprüfung ausgezeichnet bestanden, Alexander. Aber glaubt nicht, dass sie Euch so einfach davonkommen lassen. Die Männer sind nicht bösartig … Sie versuchen nur, sich auf Kosten der Neuen zu amüsieren, indem sie sie auf die Probe stellen. Seid also weiter wachsam! Wie geht es Euch nach diesem ersten Tag?«
»Es geht schon«, antwortete Alexander, verzog ein wenig den Mund und rollte die Schultern.
Der Hollandais lachte.
»Ja, so ist das nun einmal! Die erste Woche ist die Hölle. In der zweiten platzt die Haut an Händen und Füßen auf und schält sich. In der dritten röstet einen die Sonne, bis man gut durch ist. In der vierten könnt Ihr Euch nicht mehr auf den Beinen halten. Wenn Euch dann bis zur fünften Woche die Mücken nicht in den Wahnsinn getrieben haben, seid Ihr gerettet. Aber auf dem Rückweg fängt alles wieder von vorn an. Das kenne ich jetzt seit dreißig Jahren, versteht Ihr, und ich beginne gerade erst, mich daran zu gewöhnen. Ich kann Euch versichern, dass so etwas einen Mann hart macht!«, schloss er und schlug mit der Handfläche auf seinen muskulösen Oberschenkel.
Alexander nickte lächelnd. Der Pelzhändler seufzte und fuhr in einem ernsteren Tonfall fort.
»Ich bin nicht mehr besonders jung, und Ihr sollt wissen, dass diese Reise meine letzte sein wird … Dieses Leben ist zwar anstrengend, wird mir aber sehr fehlen. Aber es ist allerhöchste Zeit, dass ich mich um meine Frau kümmere. Sally hat zu viel Geduld mit mir. Habe ich sie Euch eigentlich schon vorgestellt?«
»Nein«, murmelte Alexander. Er erinnerte sich nur daran, die Frau des Hollandais’ heute Morgen flüchtig erblickt zu haben. Sie war unter den vielen Menschen gewesen, die nach
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