Highland-Saga 04 - Dolch und Lilie
Nacken, den Élises geschickte Hochsteckfrisur enthüllte.
»Ihr seid heute Abend überwältigend schön! Élise hat sich selbst übertroffen. Ihr werdet die schönste Frau auf dem Frühlingsfest sein … Dabei ist das Wetter scheußlich. Es schneit immer noch …«
Isabelle betrachtete ihre Frisur im Spiegel.
»Hmmm …«
Sie musste zugeben, dass diese kleine dumme Gans Élise Talent zum Frisieren hatte. Pierre hatte das junge Mädchen eingestellt, als dieses ins heiratsfähige Alter kam, und einen Vertrag mit seinem Vater abgeschlossen: Für ihre Dienste würde Élise angemessen untergebracht und ernährt werden. Darüber hinaus musste Pierre sie mit einer vollständigen Aussteuer versehen und sie neu einkleiden.
Die junge Zofe war vor kurzem neunzehn geworden, und der Sohn des Schenkenwirts Tavernier machte ihr den Hof. Sie würde sie also bald verlassen, und Isabelle könnte sich jemanden aussuchen, mit dem man auch ein anregendes Gespräch führen konnte. Sie war es leid, sich den neuesten Klatsch vom Markt erzählen zu lassen, und interessierte sich nicht im Geringsten dafür, ob die Bleigewichte des Bäckers Gervaise nicht das königliche Siegel trugen.
Pierre löste die Perlenkette, die sie um den Hals trug.
»Was macht Ihr denn?«, rief sie aus und begegnete im Spiegel seinem verliebten Blick.
»Wartet… Ich glaube, das hier steht Euch besser.«
Das Schmuckstück war kalt und glitt sanft über ihre Haut. Als Isabelle das wunderbare Collier erblickte, riss sie die Augen auf: An einer Goldkette hingen drei goldene, mit Brillanten besetzte Schleifen, an denen jeweils ein Smaragd in der Form einer Träne baumelte. Pierre war glücklich über die Wirkung seiner Überraschung. Er küsste seine Frau hinters Ohr und dachte daran, wie sie ihm, sobald sie zurück waren, ihre Dankbarkeit erweisen könnte.
»Gefällt sie Euch?«
»Aber … Das ist ja viel zu viel. Sie muss ja ein Vermögen wert sein; das hättet Ihr nicht tun sollen, Pierre!«
»Ihr müsst die Schönste sein, meine Liebe. Aber ich hatte vergessen … Ihr seid ja ohnehin schon die Schönste, nicht wahr?«
»Ach, Pierre!«
Gerührt drehte Isabelle sich zu ihrem Mann um und lächelte ihm zu. Er kam näher und küsste sie zärtlich auf den Mund. Sie mochte Pierre gut leiden und überraschte sich oft selbst dabei, dass sie auf die Gelegenheiten wartete, bei denen sie allein bei einem Glas Wein saßen und über Gott und die Welt plauderten. Im Lauf der Zeit hatte sie ihn als charmanten, intelligenten Mann kennengelernt, der ehrlich verliebt in sie war. Sie wollte ihm nicht wehtun und hatte ihm nie vorgeworfen, dass man sie zu dieser Vernunftehe gezwungen hatte. Doch in all seinen Aufmerksamkeiten und seinen Geschenken erriet sie seine sinnlose Hoffnung, ihre Liebe zu ihm zu erwecken … genau wie ihr Vater vergeblich gehofft hatte, Justines Herz zu erobern. Eines Tages vielleicht, wenn sie geduldig war … würde sie ihn vielleicht so lieben können, wie er es verdiente.
»Mamaaa! Mamaaa!«, rief eine Kinderstimme, und auf dem Flur polterte jemand heran.
Der kleine Gabriel stand in der Tür. Seine Wangen glühten, und seine Augen waren feucht. Isabelle stürzte zu ihm.
»Was hast du denn, mein Schatz? Hast du dir etwas getan? Wo tut es denn weh?«
»Kein Aua, Mama. Aber Ma’ie hat …«, greinte der Kleine und drehte sich ängstlich zu der Indianerin um, die verlegen an ihrem Zopf nestelte.
Isabelle runzelte die Stirn und beugte sich mit einem leisen Rascheln von Stoff und Spitzen zu ihm hinunter.
»Was ist denn mit Marie?«
»Sie sagt, ich da’f die Maus nicht behalten…«
»Es heißt ›darf‹«, verbesserte Isabelle ihn ein wenig ungeduldig. »Was für eine Maus denn? Hier gibt es keine Mäuse, Gaby.«
»Na ja … die hier«, beharrte Gabriel und zeigte ihr eine Mausefalle, in der noch das Tierchen mit blutigem Kopf steckte.
»Igitt!«
»Ich habe versucht, ihm die Maus wegzunehmen, Madame, aber er hat mich gebissen.«
»Gabriel Larue! Ich verbiete dir, andere Leute zu beißen. Wo hast du solche Manieren gelernt?«
Mit diesen Worten ergriff Isabelle die kleine Hand, die das abscheuliche Spielzeug festhielt. Mit einem dumpfen Geräusch fiel die Maus auf den Boden, und Gabriel sah seine Mutter mit zitterndem Kinn und tränenerfüllten blauen Augen an. Pierre, der sich kaum das Lachen verbeißen konnte, hob den Nager auf.
»Ich glaube, es ist so weit. Wir brauchen eine Katze. Die wird die Mäuse jagen und fressen, damit
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