Highland-Saga Bd. 7 - Echo der Hoffnung
einer Weile sagte er beiläufig: »Ich habe Hauptmann Richardson aus New York übergesetzt. Und zurück.«
Im ersten Moment hätte William fast im Tonfall höflichen Unwissens »Hauptmann Richardson?« gesagt, doch er begriff rechtzeitig, dass das nicht ging.
»Habt Ihr das?«, entgegnete er stattdessen knapp. Rogers lachte.
»Ihr seid ein cleveres Kerlchen, wie? Möglicherweise hat er ja recht, dass er Euch ausgesucht hat.«
»Er hat Euch gesagt, dass er mich … für etwas ausgesucht hat?«
»Braver Junge. Niemals freiwillig mit etwas herausrücken – obwohl es sich manchmal lohnt, dem Schicksal etwas nachzuhelfen. Nein, Richardson ist von der verschlagenen Sorte – er hat kein Wort über Euch gesagt. Aber ich weiß, wer er ist und was er tut. Und ich weiß, wo ich ihn abgesetzt habe. Ich wette, dass er nicht die Culpers besuchen wollte.«
William räusperte sich vage. Rogers wollte ja offensichtlich etwas sagen. Sollte er also damit herausrücken.
»Wie alt seid Ihr, Junge?«
»Neunzehn«, sagte William etwas irritiert. »Warum?«
Rogers zuckte mit den Achseln. Sein Umriss war kaum mehr als ein Schatten in der zunehmenden Dämmerung.
»Alt genug also, um zu wissen, was Ihr tut, wenn Ihr Euren Hals riskiert. Aber Ihr solltet es Euch gut überlegen, bevor Ihr auf Richardsons Vorschlag eingeht, wie auch immer er lautet.«
»Vorausgesetzt, er hat mir tatsächlich etwas vorgeschlagen – nochmals, warum?«
Rogers berührte seinen Rücken und drängte ihn vorwärts.
»Das werdet Ihr gleich selbst sehen, Junge. Gehen wir.«
DAS WARME, RAUCHIGE LICHT DES WIRTSHAUSES UND SEINE ESSENSGERÜCHE hüllten William ein. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass er fror, dass es stockfinster war oder dass er Hunger hatte, weil er sich nur auf das bevorstehende Abenteuer konzentrierte. Jetzt jedoch holte er tief Luft, roch frisches Brot und Brathuhn und fühlte sich wie ein Toter, der am Tag des Jüngsten Gerichts aus dem Grab steigt und wieder zum Leben erweckt wird.
Der nächste Atemzug blieb ihm jedoch im Hals stecken, und sein Herz krampfte sich mit solcher Gewalt zusammen, dass ihm das Blut durch den Körper rauschte. Rogers, der neben ihm stand, stieß einen leisen Warnlaut aus. Dann steuerte er auf einen Tisch zu und sah sich dabei beiläufig um. Der Mann, der Spion, saß in der Nähe des Kamins, aß ein Huhn und unterhielt sich mit ein paar Farmern. Die meisten der Männer im Schankraum hatten zur Tür gesehen,
als die Neuankömmlinge auftauchten – und mehr als einer von ihnen hatte bei Williams Anblick heftig geblinzelt -, doch der Spion war so in seine Mahlzeit und sein Gespräch vertieft, dass er von nichts anderem Notiz nahm.
William hatte den Mann das erste Mal zwar nur flüchtig wahrgenommen, doch er hätte ihn jederzeit wiedererkannt. Er war nicht ganz so hochgewachsen wie William, aber doch einige Zentimeter größer als der Durchschnitt, und sein Aussehen war auffallend. Er hatte flachsblondes Haar und eine hohe Stirn, auf der man die Narben der Pulverexplosion sah, die Rogers erwähnt hatte. Sein runder, breitkrempiger Hut lag neben seinem Teller auf dem Tisch, und er trug einen unauffälligen, einfachen braunen Anzug.
Nicht in Uniform … William schluckte krampfhaft, und das nicht nur, weil er Hunger hatte und es hier nach Essen roch.
Rogers setzte sich an den Nebentisch, winkte William, sich ihm gegenüber auf einen Hocker zu setzen, und zog fragend die Augenbrauen hoch. William nickte schweigend, ohne einen Blick in Hales Richtung zu werfen.
Der Wirt brachte ihnen Speise und Trank, und William widmete sich ganz dem Essen, froh, dass er nicht gezwungen war, sich zu unterhalten. Hale selbst war ganz entspannt und redete ohne Unterlass. Er erzählte seinen Begleitern, er wäre ein holländischer Schulmeister aus New York.
»Aber dort herrscht ein solcher Aufruhr«, sagte er kopfschüttelnd, »dass der Großteil meiner Schüler verschwunden ist. Sie sind mit ihren Familien zu Verwandten in Connecticut oder New Jersey geflohen. Ich gehe davon aus, dass hier ähnliche – wenn nicht schlimmere – Zustände herrschen?«
Einer der Männer an seinem Tisch grunzte nur, doch der andere stieß ein verächtliches Schnauben aus.
»Das kann man wohl sagen. Die gottverdammten Rotröcke nehmen alles an sich, was man nicht vergräbt. Tory, Whig oder Rebell, das ist den habgierigen Schuften völlig egal. Ein Wort des Widerspruchs, und schon bekommt man entweder eins über den Schädel gebrummt oder
Weitere Kostenlose Bücher