Highland Secrets
Wenn sie es wüssten, dann würden sie sicher genauso rot anlaufen wie ich es gerade tat.
» Ms Sand, setzen Sie sich bitte«, forderte mich die Haushälterin auf. Sie sah mich kurz an, lächelte mütterlich, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ihre Freundlichkeit nur aufgesetzt war. Als sie sich wegdrehte bemerkte ich, wie sie die Stirn runzelte und die Lippen fest aufeinanderpresste. Ich zog einen der sechs Stühle vom Tisch und setzte mich den beiden Frauen gegenüber. Sie musterten mich kurz und verfielen dann wieder in aufgeregtes Schwatzen.
Dem Gespräch konnte ich entnehmen, dass sie ihren Aufenthalt hier in Dunvegan um ein paar Tage verlängern wollten, bevor sie ihre Rundreise auf der Isle of Skye beendeten und nach Glasgow weiterreisen würden.
»Du hast dich doch nicht in ihn verliebt, oder?«, meinte die mit den kurzen Haaren und sah ihre Freundin ernst an. Die schüttelte den Kopf, aber der unsichere Blick zeigte deutlich, dass sie davon selbst nicht überzeugt war.
Ich verdrehte in Gedanken die Augen. Genau aus dem Grund würde ich mich nie auf solche Sexabenteuer einlassen. Ich hätte viel zu viel Furcht, ich könnte Gefühle investieren, die nicht erwidert werden würden. Das würde ich mir nicht noch einmal antun wollen. Auch nach über sechs Jahren kämpfte ich noch immer gegen die Schmach und das tiefe Loch der Leere, das Aidans Verrat in mir zurückgelassen hatte. Der Mann, für den ich mich nicht nur körperlich, sondern auch emotional entblättert hatte und dessen Aufgabe es eigentlich gewesen wäre, für mich da zu sein und nicht, mich so sehr zu verletzen, dass ich noch Jahre später unfähig war, Vertrauen zu einem Mann zu fassen.
» Bist du sicher, Kathrin? Weil wenn du doch etwas fühlst, dann sollten wir lieber sofort abreisen«, warf die Kurzhaarige ein.
Die Haushälterin stellt e murrend einen Teller mit pochierten Eiern vor jeder von uns ab und goss Kaffee aus einer Glaskanne in unsere Tassen. Ich tat so, als würde ich das Gespräch überhören, war aber gespannt auf die Antwort von Kathrin.
»Ich bin sicher, Mel« , antwortete sie gedehnt und betonte den Namen der Freundin warnend. Sie warf mir einen abschätzenden Blick zu und ich tat, als gäbe es nichts Wichtigeres als das Frühstück vor mir.
Genüsslich kaute ich und nickt e der Haushälterin dankbar zu. »Sehr gut«, lobte ich die Eier und gab Milch in meinen Kaffee. Tee wäre mir lieber gewesen, schließlich war ich Britin, aber vielleicht war Kaffee das Getränk der Wahl in Schottland, also nahm ich die Tasse und nippte daran.
»Also gut, noch zwei Tage« , gab Mel nach und musterte mich abermals. »Bist du auch auf Urlaub hier?«, wollte sie jetzt von mir wissen.
»Nein, beruflich.«
Beide Frauen zogen erstaunt die Augenbrauen hoch. »Beruflich?«
»Ja, ich soll Gemälde restaurieren« , erwähnte ich mit etwas Stolz.
» Nicht jeder ist zum Vergnügen hier«, mischte sich die Haushälterin ein und legte eine Zeitung in die Mitte des Tisches. Demonstrativ tippte sie auf einen Artikel auf der Startseite der Dunvegan Morgenpost.
Kathrin keuchte laut auf. » Dunvegan Ripper hat sein drittes Opfer gefunden«, las sie mit zittriger Stimme.
»Zeig mal her« , forderte Mel sie auf und zog die Zeitung vor sich. »Der Dunvegan Ripper hat zum zweiten Mal zugeschlagen. Am vergangenen Abend fanden Wanderer die verstümmelte Leiche einer jungen Frau. Wie schon das frühere Opfer war auch sie eine Touristin. Die Leiche wurde im Wald unweit von Dunvegan gefunden. Sie zeigte ähnliche Verletzungen wie das erste Opfer. Auch ihr wurde die Kehle durchgeschnitten, das Gesicht und auch die Geschlechtsteile verstümmelt. Die ermittelnden Behörden hüllen sich weiterhin in Schweigen.«
»Wie grauenvoll« , stöhnte Kathrin und Mel nickte bestätigend.
Auch ich konnte ein erschrockenes Aufkeuchen nicht unterdrücken. Dunvegan war ein malerisches Örtchen, so etwas unfassbar Böses passte einfach nicht hierher. Auch wenn ich den Artikel direkt vor mir liegen sah, konnte ich nicht glauben, dass etwas so Grauenvolles hier geschah.
Mels G esichtsausdruck konnte ich entnehmen, dass sie ihre Entscheidung länger hierzubleiben, gerne noch einmal überdenken würde. Mir ging es ganz ähnlich. Ich fühlte mich etwas mulmig und wusste gar nicht so recht, wie ich mit dem Wissen um einen Mörder in direkter Nachbarschaft umgehen sollte.
»Hat man denn noch gar keine Hinweise?«, hakte ich nach und sah Molly, die Haushälterin fragend
Weitere Kostenlose Bücher