Hilf mir, Jacques Cousteau: Roman (German Edition)
starrt Mrs. Draper durch seine Brille an, bis sie uns hereinbittet, uns durchs Haus führt und uns zeigt, was sie »ihre Babys« nennt.
Überall sind Aquarien, in Wände eingelassen, auf Ständern in Gängen, ein großes, langes trennt das Wohnzimmer vom Essbereich, und bei allen klebt ein Blatt Papier auf dem Glas, mit Anweisungen, den zoologischen Namen der Fischarten und, in Anführungszeichen, ihren Kosenamen. »Dings.« »Ralphy.« »Dussel.« Im Kühlschrank lagern ein Kanister Salinenkrebse und Kopfsalat für den Haifisch Arnie sowie eine flache Schale mit Larven für die anderen Fische. Ich mustere die Larven, die reglos neben dem Parmesan liegen. Ich werde meine Mutter auffordern, Mrs. Drapers hausgemachte Marmelade wegzuschmeißen.
Mr. Draper bleibt auf Distanz, trotzdem merke ich, dass er nach Schnaps riecht, ein Gestank wie Orangensaft, der zu lange in der Sonne gestanden hat. Andrew, den Mrs. Draper vergeblich zu bezirzen versucht, starrt auf die Listen mit Namen und Daten, auf die Anweisungen zur Fütterung und Regulierung des Salzgehalts, als wolle er sie auswendig lernen. Wenn wir von einem Aquarium zum nächsten gehen, muss ich ihn am Ellbogen weiterzerren. Jedes Mal, wenn ich zu Mr. Draper hinüberschaue, sieht er seine Frau mit einem flachen, misstrauischen Grinsen an. Sie lehnt sich an die leuchtend blauen Aquarien und verfolgt gebannt die Fische und ihre langsamen, ziellosen Bewegungsmuster. Dann will sie mir einen kranken Krebs zeigen, den ich zwischen den ganzen Wasserpflanzen, Kieseln und Spielzeugburgen nicht finden kann; alles, was ich entdecke, stellt sich als Stein heraus. Mrs. Draper meint, ich solle mir keine Vorwürfe machen, wenn der Krebs während ihrer Abwesenheit stirbt.
Von der Einfahrt kommt ein Hupen; »Jeff«, sagt Mr. Draper. Mrs. Drapers Gesicht nimmt einen wütenden Ausdruck an, und sie schiebt uns zur Tür hinaus; ich muss ihr versprechen, meinen Eltern dafür zu danken, dass sie ihr meine Dienste angeboten haben. Andrew braucht nicht hinausgescheucht zu werden; er ist schon halb bei uns drüben. Die Drapers winken, uns zum Abschied und Jeff zur Begrüßung. Ich erkenne ihn; er hat rote Haare, ist nicht so dünn, wie ich dachte, trägt Sandalen und hat verschlagene blaue Augen. Ich bleibe auf unserer Veranda stehen und verfolge, wie Mr. Draper Jeff lange und herzlich umarmt und ihm auf die Schulter schlägt.
»Ich glaube, der Mann ist ihr Sohn«, sage ich zu meiner Mutter. Sie steht im Wohnzimmer, wirft immer wieder den Kater in die Luft und stößt dabei »Pfui!« aus. Der Kater macht sich schlaff wie eine Stoffpuppe und schnurrt.
»Welcher Mann?«
»Von dem du geglaubt hast, er hätte eine Affäre mit Mrs. Draper«, sage ich.
»Pssstt!« Sie richtet, was völlig absurd ist, den Blick auf die Wand, als könnten sie uns hören. »Echt?«
»Mr. Draper hat ihn herzlich umarmt.«
»Na ja, die könnten doch alle drei … du weißt schon …«
Marty steht pfeifend im leeren Schulkorridor. Sie meint, über den Besucher der Drapers ließe sich nur etwas herausfinden, wenn man Mrs. Draper direkt nach ihm fragte. Typisch Marty – sie hat so liebenswürdige Umgangsformen wie eine Boa constrictor. Ich kann mir gut vorstellen, wie Mrs. Draper wie vom Donner gerührt in der Tür steht und dann umkippt. Den Drapers meinen Vater auf den Hals zu hetzen, wäre die einzige todsichere Methode, etwas in Erfahrung zu bringen, aber Dad hat feste Vorstellungen, wer ihm die Mühe des Aushorchens wert ist. Vor den Drapers graut es ihm.
»Fische!«, hat er gesagt. »Fische sind typisch für diese Ehe.«
All das läuft gerade in meinem Kopf ab, als Mr. Butcher den Korridor entlangkommt; ich stoße Marty mit dem Ellbogen an. Sie senkt den Arm mit der Zigarette. Ein »Rauchen verboten«-Schild hängt in der Wolke über unseren Köpfen. Marty ist größer als ich, deshalb sieht mich Butcher erst, als er ziemlich in der Nähe ist. Da schlägt die Nervosität in seinem Gesicht in Leere um. »Rauchen verboten, meine Damen«, sagt er im Vorbeigehen, und kurz danach stößt Marty aus den Nasenlöchern bleistiftdicke Rauchströme hervor.
Am nächsten Morgen merke ich in der Schule, dass ich schon wieder am Verschwinden bin, wie ein Fernsehbild, das zu einem einfachen weißen Punkt zusammenschnurrt. Erst sitze ich im Raum G44 am Fenster, eine unberührte Klausur vor mir; die Sonne scheint herein, und ich sehe die Hände in meinem Schoß aufleuchten. Dann stehe ich in einem Gang im Untergeschoss,
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