Hilfe, die Googles kommen!
übertriebene Schielen, die Scherzartikelbrille oder den falschen Bart bereuen. Ich sage Ihnen auch warum: Wenn Menschen bei Naturkatastrophen oder Unglücken ums Leben kommen, stürzen sich die Medien auf der Suche nach Infos heutzutage vor allem auf die Überreste der Verstorbenen, die im Internet zu finden sind. Sollten Sie nun mit einer Propellermaschine über Namibia abstürzen (»Es waren auch Deutsche an Bord«), enden Sie möglicherweise mit Schmollmund, Spaßgebiss und Hasenohren aus Filz auf der Titelseite der Bild oder als Einblendung bei » RTL Punkt 12«.
Dazu Katja Burkard, lispelnd: »Dieser junge Mann, der auf diesem Foto so unbeschwert im Hasenkostüm posiert, brannte für den schwarzen Kontinent … bis er letzte Nacht dann dort verbrannte.« Wollen Sie so in Erinnerung bleiben?
Es hatte schon seine Gründe, dass Adelige sich über die Jahrhunderte von Malern stets eher schöner malen ließen, als sie tatsächlich waren. In den Ahnengalerien der Welt findet man nicht viele Bilder von Herzogen oder Baronessen, auf denen sie neckisch zwinkern oder mit zwei Fingern die Mundwinkel nach außen ziehen. Schließlich will man nach dem Tod vielleicht sogar besser aussehen als zu Lebzeiten, oder?
Der Mensch strebt seit jeher danach, den Tod zu überdauern, und sei es nur durch Pinselstriche auf einer Leinwand. Heute ist diese Leinwand ins Internet verlagert worden und wartet nur darauf, in den grellsten Farben bemalt zu werden. Damit wird man in einer Art und Weise unsterblich, die bisher nur wichtigen Personen der Historie vorbehalten war.
Das Beste daran ist: Man erzählt seine Geschichte zu großen Teilen selber, denn mit allen Inhalten, die man ins Internet stellt, sei es in soziale Netze, private Blogs oder sonstige Communitys, schreibt man nicht weniger als sein Testament und entscheidet letztlich, was man der Welt von sich hinterlässt. Das sollte man nicht unterschätzen. Wer sich dieser weitreichenden Folgen bewusst ist, überlegt sich wahrscheinlich ziemlich genau, ob er eine Fotoserie mit den Cocktails der letzten Nacht in seinem Blog online stellt. Sollte er tags darauf mit Restalkohol im Blut unsanft mit einer Eiche kollidieren, fügt sich für die Welt ein schlüssiges Bild zusammen.
Die Regel »Über die Toten nur Gutes« lässt sich nur schwerlich durchhalten, weil Google für solche Fälle bisher keinen Suchfilter hat. Ein Manko, wie ich finde. Es fehlt ein Dienst, der die menschliche Verwesung aufs Internet überträgt, indem er nach und nach alle Daten eines Verblichenen aus dem Netz tilgt. Ich wüsste dafür sogar einen Namen: »Google Grave«! Kleine Maden-Apps, sogenannte »iMaggots«, zersetzen dabei sukzessive Bilder, Videos, Texte und sonstige Spuren im Internet, bis am Ende nur noch ein digitaler Grabstein, das »Facetomb« übrig bleibt: ein letztes Foto mit Familienstand, Geburts- und Todestag und dem im sozialen Netz angegebenen Lebensmotto. Auch Letzteres sollte man sich also gut überlegen, denn ein Zitat von Schiller ist für diesen pietätvollen Einsatz wahrscheinlich besser geeignet als »Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei«. 48
# 30 Natürlich gibt es das Internet schon sehr viel länger, als es den privaten Internetanschluss gibt. Sie alle kennen die aufregende Geschichte des Internets, die in den 70er Jahren durch die Arbeit seiner Erfinder, der Gebrüder Modem, begann. Der Ausdruck »Volks-Web« soll lediglich die neue Entwicklungsstufe kennzeichnen, ab der jeder seine Nase ins Netz stecken konnte und wollte.
# 31 Mittlerweile zeugen Männer keine Kinder mehr, man wohnt zur Miete und hat einen Steingarten auf dem Balkon.
# 32 Gibt es eigentlich ein Blog über antike »Under Construction«-Grafiken?
# 33 Man ist bei der Terminologie durchaus etwas unstet und wechselt zwischen deutschen und englischen Bezeichnungen. Konsequenterweise müsste der, der dem Zwitscherer folgt, fortan sein »Folger« sein. Da »Folger« aber wie »Volker« auf Hessisch klingt, »Jünger« etwas übertrieben ist und »Gefol gsm ann« eher die Gründung einer Bande vermuten lässt, hält man sich an den englischen Begriff »Follower«.
# 34 Mit der Kombination aus »@« und einem mehr oder weniger sinnvollen Namen erschafft man sich seine Identität auf Twitter. Fortan kann jeder Websurfer den Twitterer unter seinem Twitter-Namen suchen, finden und mit ihm in Kontakt treten.
# 35 Die Wörter mit der Raute nennt man »Hashtags«, was mit Drogen nichts zu tun hat.
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