Hilfe, die Googles kommen!
Kann doch gar nicht sein.« Ist aber so. Also müssen die anderen beiden wieder verpackt und zurückgesendet werden. Während man den Paketschein und das Retoure-Formular ausfüllt, fällt der Blick in den Spiegel, und man denkt sich: »Hmm, ist zwar die richtige Größe, aber auf dem Bild im Netz sah es schöner aus«, woraufhin man auch das passende Teil zu den beiden anderen Rückwaren packt. Und wenn man dann zum dritten Mal zur Postfiliale schlendert – beim ersten Gang war zu, beim zweiten geschlossen – hat man das gute Gefühl, keine Zeit mit sinnlosem Shopping in der örtlichen Fußgängerzone verschwendet zu haben. Toll, oder?
Produkte statt über den Einzelhandel vor Ort lieber günstiger im Netz zu beziehen, ist unglaublich verlockend. Ohne vernünftig über Garantie oder Gewährleistung nachzudenken, hat man bei eBay China das neue Internetradio geordert und versucht nun verzweifelt, die Systemsprache von Mandarin zumindest mal auf Englisch umzustellen. Ein Umtausch des Geräts ist unterm Strich teurer, als es den Hasen zu geben, also dürfen die Langohren es haben. Und schon hat man wieder Geld zum Browserfenster rausgeworfen.
Das scheint es uns aber wert zu sein. Sagen zu können, man habe den Blu-ray-Player direkt beim Werksverkauf in Taiwan geordert, macht Eindruck: »Media Markt? Pah, ich bin doch nicht blöd!« Dass das so klar nicht ist, merkt man spätestens dann, wenn man auf dem Zollamt hockt, Wartenummer 97 gezogen hat, die Anzeige aber erst auf 14 steht. Da ist sie wieder: die gesparte Zeit beim Online-Einkauf.
Und dennoch: Wie ein Hund, der hinter Autostoßstangen herrennt, als ginge es um die Wurst, stürzen wir uns auf alle Online-Portale, die mit der wunderschönen Zahl »24« ge schmückt sind. Immobilienscout24.de, autoscout24.de, elektro welt24.de, kaminholz24.de, zahngold24.de, dickewürste 24.de – alles ist 24: Wir haben nonstop für unsere Kunden geöffnet! Toll! Das ist natürlich völliger Schwachsinn. In den seltensten Fällen ist ein solcher Onlineshop tatsächlich 24 Stunden besetzt. Das wird vor allem bei Beschwerden deutlich, wenn man merkt, dass die Hotline täglich noch nicht einmal für 24 Minuten besetzt ist.
Warum aber betont die Onlineshopping-Branche ihre »Öffnungszeiten« so penetrant? Weil sie das alte Konzept der Dauerwerbesendungen im Fernsehen damit ins Internet überträgt. Es gibt sie ja auch heute noch, diese TV-Werbung für CD-Sets mit 47 CDs der 870 schönsten Hits der 70er Jahre, vorgestellt von Ilja Richters Körperwelten-Figur. Da sitzt man also um 02:36 Uhr nachts vor der Glotze und wird von der Werbeschleife ins Delirium gedudelt. In solch einer geistigen Verfassung kommt einem natürlich auch der »Miracle Suck«-Staubsauger mit verschiedenen Aufsätzen zum Haareschneiden plötzlich total sinnvoll vor, und man greift zum Telefon.
Eine jahrhundertealte Teleshopping-Weisheit besagt: »Wer übermüdet genug ist, kauft selbst dem senilen Chuck Norris jeden Trimm-dich-Blödsinn ab.« Dieses Prinzip machen sich nun alle 24er-Shops zunutze und propagieren den Nachteinkauf. Nicht umsonst zwingt der Gesetzgeber Offlineshops, zu nachtschlafender Zeit die Ladengeschäfte geschlossen zu haben. Man schützt die Konsumenten so vor sich selber, da eine vernünftige Kaufentscheidung montagmorgens um 4 Uhr schlechterdings unmöglich ist. Wer zu dieser Zeit noch wach ist, erwirbt aus lauter Verzweiflung sogar Eichensetzlinge auf samenbank24.de, selbst wenn er nur eine Wohnung mit Balkon hat.
Die Gefahr ist groß, nach Mitternacht in einen Kaufrausch zu verfallen, den man am nächsten Tag bitter bereut. Davon bekommt man, ähnlich wie von zu viel Alkohol, einen sogenannten Kater24. Der schmerzt zweimal: Einmal beim Blick auf den Kontostand, und das zweite Mal, wenn der Paketbote den Plunder anliefert. Natürlich kann man alles zurückschicken … aber dieser Bauchtrainer … mmm … wenn Chuck Norris den benutzt …
Verstehen Sie mich nicht falsch, auch ich bin nicht vor diesem Wahnsinn gefeit. Mehr als einmal saß ich mit dem Telefon hörer in der Hand nachts vorm TV, weil schlecht synchronisierte Amerikaner mir Wundermesser und Saftpressen aus der Raum fahrt andrehen wollten. Konnte ich da meistens noch früh genug auflegen, ertappe ich mich jetzt immer öfter dabei, wie ich mitten in der Nacht auf amazon.de meinen Warenkorb fülle. Das Internet hat im Gegensatz zum Fernseher nämlich einen entscheidenden Vorteil: Es weiß über uns Bescheid. 53
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