Hilfe, die Googles kommen!
ziemlich sturen Softwaresystemen, und nicht mit Menschen zu tun hat. Nirgendwo merkt man das deutlicher als bei inhaltsspezifischer Werbung, auch »contentsensitiv« genannt. Sie kennen das: Man liest einen Artikel über den neuesten Werwolf-Horrorfilm, und das »intelligente« Werbesystem platziert auf der gleichen Seite eine Anzeige für Hundefutter und das Nachtlicht »Vollmond«. An solchen Fällen lässt sich die verhältnismäßig plumpe Systematik dieser Technik erkennen. Wenn dann die Nachricht über einen Flugzeugabsturz mit Werbung für ein Reiseportal verziert wird, kann man das schon als zynisch empfinden. Da wird so manches Unglück eiskalt in ein Verkaufsargument verwandelt: »Golfspieler von Blitz getroffen – Buchen Sie einen Golfurlaub in der Sonne«. Schüttelt man zunächst noch entrüstet den Kopf, ertappt man sich im nächsten Moment, wie man sich über Golfressorts in den Vereinigten Arabischen Emiraten informiert.
Das Leben geht eben weiter – zumindest wenn Sie nicht im Gewitter an Loch 17 stehen.
Man sieht den Wald vor lauter Büchern nicht
Es gab mal eine Zeit, da war die Menschheit unterteilt in Jäger und Sammler. Die älteren Leser werden sich sicherlich erinnern. Heutzutage beschränkt sich das Jagen auf Schnäppchen und Stechmücken, aber gesammelt wird immer noch – und zwar alles. Alles, was nicht verdirbt oder stirbt, wird von Menschen in Setzkästen sortiert, in Kisten gesteckt, in Keller gestopft oder auf Dachböden geräumt. Also kostet diese Leidenschaft in der Regel nicht nur Geld, sondern auch Platz. Versuchen Sie mal, Flipperautomaten oder antike Baumaschinen in einer 50-m 2 -Zweizimmerwohnung zu sammeln!
Aber auch klassisches Sammelmaterial wie Bücher nimmt einen nicht unerheblichen Platz ein, vor allem wenn man nicht nur »Lustige Taschenbücher« 55 und G.-F.-Unger-Western sammelt, sondern prachtvolle Enzyklopädien und Folianten. Bibliotheken sind daher nicht umsonst in mehreren Räumen, ach was, teilweise ganzen Gebäuden untergebracht. Häuser voller dicker Bücher, Druckerzeugnisse mit richtigen Seiten und Buchstaben, in denen man zwar manuell blättern muss, sie dafür aber nicht aufzuladen braucht.
Man sollte schleunigst noch einmal mit der gesamten Familie einen Ausflug in eine Universitätsbibliothek oder eine städtische Bücherei machen, denn die Tage dieser Einrichtungen sind gezählt. Ich behaupte, dass die Bibliothek aus Stein, Zement und Holz ein Relikt der Vergangenheit ist, vor allem weil man sie so schlecht mit sich rumtragen kann.
Heute hat fast jeder Bibliotheken aus Nullen und Einsen dabei, auf iPod, E-Book-Reader oder Smartphone – und nicht nur Bibliotheken für Bücher, nein, auch für Musik und Fotos. Und das alles im Taschenformat. Wer heute etwas auf dem Speicher unterbringen möchte, muss keine Leiter mehr anstellen, sondern nur noch ein USB -Kabel anschließen.
Tolle Sache!, mag man allein schon angesichts der enormen Platzersparnis denken, aber je größer die Datenmengen werden, desto klarer wird einem, warum das Physische, die Körperlichkeit eines analogen Buches auch seine Vorteile hat: Es stört – und das ist auch gut so. Ein richtiges Buch liegt oder steht drohend im Raum und ruft uns buchstäblich zu: »Lies mich. Du hast mich gekauft oder geschenkt bekommen, also lies mich gefälligst!« Ist ein elektronisches Buch aber erst mal auf dem Kindle abgelegt, lässt es sich bequem vergessen. Da hat man dann in digitaler Sammelwut fünfzig, hundert oder gar tausend Bücher beisammen und kann noch nicht mal mit der Bücherwand angeben. Heute heißt es: »Mein Kindle speichert mehr Bücher als dein Tablet-PC.« Lächerlich, gerade so, als ob Impotente mit der Länge ihres Gemächtes prahlen würden.
Der Sammelleidenschaft sind also keine physischen Grenzen mehr gesetzt. 56 Es kann gut sein, dass die Verbannung der Bücher auf Festplatten von Lesegeräten letztlich dafür sorgt, dass mehr Bücher gekauft, kurioserweise aber weniger gelesen werden. So wird der Buchsammler dem Nerd immer ähnlicher, der kiloweise Actionfiguren erwirbt und nicht damit spielt, sondern sie originalverpackt ins Regal stellt. Natürlich hat man auch früher beileibe nicht alle Bücher gelesen, die im Regal standen, aber man wurde wenigstens abends immer an das viele bedruckte Papier erinnert, wenn man die Fernseh fernbedienung aus dem Regal fischte, die man vor den Kindern auf Goethes Gesamtwerk versteckt hatte.
Seien wir mal ehrlich: So eine Fassade
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