Hilfe, die Googles kommen!
Und wie.
Sobald Sie das erste Mal in einem Onlineshop eingekauft haben, versucht man Ihren Einkauf mittels eines Algorithmus zu analysieren und Ihnen Vorschläge zu machen, welche Produkte für Sie darüber hinaus von Interesse sein könnten. Je öfter Sie shoppen, umso genauer lernt der Webshop Sie kennen, und umso schwerer wird es, sich gegen die Angebote zu wehren. Alter Schwede, was wurde ich schon von Amazons perfide treffgenauer Verkaufsförderung in die Ecke gedrängt und habe Dinge gekauft, von denen ich bis dato nicht wusste, dass ich sie haben möchte. Die Fantastischen Vier rappten einst: »Das Geld, das du nicht hast, kauft dir das, was du nicht willst.« Man müsste diesen Satz für meine Begriffe folgendermaßen updaten: »Mit Geld, das du nicht hast, kaufst du dir das, von dem Amazon sagt, dass du es willst.«
Egal ob Bücher, DVD s, Musik, Süßigkeiten oder Gartengeräte: Es gibt keine Produktgruppe, zu der Amazon nicht weitere Vorschläge unterbreiten würde – süffisant und hinterfotzig betitelt mit »Ihnen könnten auch diese Artikel gefallen«. Atemlos klickt man sich durch die personalisierte Angebotspalette und bringt nur noch »Scheiße, ja! Muss ich haben!« über die zitternden Lippen. Da heißt es dann beispielsweise »Sie kauften ein Moskitonetz. Wie wäre es noch mit einem Tropenhut und einem Überlebensmesser?« Und schon eine DHL -Lieferung später kauern Sie wie Indiana Jones im heimischen Schlafzimmer unterm Moskitonetz und warten auf die Gelegenheit, Stechmücken mit dem Survivalknife den Hals durchzuschneiden.
Diese Genialität in der Kaufberatung endet aber abrupt, wenn man zum Beispiel ein Geburtstagsgeschenk für sein Patenkind kauft. Man bestellt ein Winnie-Puuh-Zaubermobile und wird fortan über Tage und Wochen mit Winnie-Puuh-Kuscheldecken, -Kinderrucksäcken, -Nachtlichtern und -Pflastersets penetriert. Vor lauter Verzweiflung kauft man irgendwann etwas davon und ist am Ende möglicherweise sogar froh, sich ein Tigger-Pflaster auf die Überlebensmesserschnittwunde kleben zu können.
Bei Amazon gibt es eine weitere interessante Rubrik mit dem Titel »Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch …«. An dieser Stelle findet man bei der Suche nach einem Sonnenschirm beispielsweise den entsprechenden Ständer, die Schutzhülle oder die Balkonhalterung. Das ist weder verwunderlich noch sonderlich bemerkenswert. Wer aber hätte gedacht, dass uns Amazon dort hin und wieder einen aufschlussreichen, wenngleich auch erschreckenden Einblick in die deutsche Seele erlaubt?
Wer online einen Alu-Baseballschläger kaufen möchte, erfährt unverhohlen, dass »Kunden, die diesen Artikel gekauft haben«, auch Pfefferspray, Lederhandschuhe und Sturmmasken erworben haben. Da kann man schon mal Gänsehaut bekommen, oder? Schon vor Jahren geisterte diese Tatsache als kurioses Onlineshopping-Phänomen durch die Netzgemeinde, und ich habe es bisher für eine Internetlegende ge halten. Weit gefehlt – auch aktuell lässt sich das Equipment für vermummte Schlägertrupps bequem aus den Amazon-Vorschlägen zusammenstellen.
Andere Zusammenhänge sind gesellschaftlich zwar weniger erschreckend, lassen einen aber umso ratloser zurück. Wieso haben hinreichend Menschen, die den Suppentopf »Ravenna« kauften, sich auch eine 240-GB-Festplatte zugelegt? Dachten die Kunden vielleicht, dass nach einer italienischen Tomatensuppe eine Festplatte die richtige Hauptspeise sei? Wieso haben Onlineshopper, die Gartenhandschuhe kauften, gleichzeitig einen Zweierpack Damenslips erworben? Gibt es da einen Fetisch, von dem ich nichts weiß? Findet demnächst wieder das große Oben-ohne-Pflanzen im Kleingartenverein statt?
Es sind diese Mysterien, die mich immer wieder durch diese Rubrik scrollen lassen, auf der Suche nach den Abgründen unserer menschlichen Natur.
Besser als heute kannte das handeltreibende Gewerbe seine Kunden an keiner Stelle der Menschheitsgeschichte. Sta tis tisch gesehen weiß Amazon besser als der eigene Ehepartner, welches Weihnachtsgeschenk das richtige ist. Gäbe es sie, Herr und Frau Amazon müssten sich am Heiligabend keine Gedanken darüber machen, wo sie ihren Braten essen. Sie würden mit Einladungen überschüttet. So etwas kann selbst funktionierende Ehen ins Wanken bringen und die Frage »Was hat Amazon, das ich nicht habe?« aufdrängen. 54
Es beruhigt daher ungemein, dass man es hier trotz allem immer noch mit mathematisch-statistischen und damit
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