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Hilfe, die Googles kommen!

Hilfe, die Googles kommen!

Titel: Hilfe, die Googles kommen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Mann
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von Wild und Hund rumkriegen muss, die man sich vom totgeschossenen Jäger auf der Nachbarliege ausgeliehen hat. Bei solch minutiöser Vorbereitung, die uns durch etliche Blogs und Websites zum Thema erleichtert wird, ist die Entscheidung zwischen Himmel und Hölle nur noch eine Frage verschiedener Packlisten, frei nach dem Motto: »Es gibt kein schlechtes Jenseits – nur schlechte Kleidung.«
    Dank Google bekommt die Beschäftigung mit dem Tod letztlich den Charakter einer Weltreise-Planung. Selbst Buchen kann man den allerletzten Trip nach einer kurzen Recherche von A bis Z. So findet man zahllose Möglichkeiten, um aus diesem Leben zu scheiden, und mit einem weiteren Klick eine bunte Auswahl an Bestattungsunternehmen. Auch wenn der Reiseleiter, ein gewisser Herr Sense Mann 70 , eintrifft, bevor man den Sinn des Lebens finden konnte – selbst das ist kein Weltuntergang. Schließlich hat man sich zwischenzeitlich ein paar Sinn-Bilder zusammengegoogelt.

    Den Kopf in der Wolke
    Gleichwohl nutzt man die allwissende Suchmaschine natürlich nicht täglich zur Klärung existentieller Fragen wie dem Farbproporz in Gummibärchentüten. Ein hoher Prozentsatz der Google-Abfragen widmet sich dem Allgemeinwissen, der alltäglichen Lebenshilfe, der Nachrichtenlage oder wissenschaftlichen Erkenntnissen. Auf diese Art und Weise verschwindet nach und nach die häufigste aller Antworten aus unserem Wortschatz: »Ich weiß es nicht.« Die ultimative Kapitulation vor einer Fragestellung ist heute wohl eher: »Sorry, ich hab es selbst bei Google nicht gefunden.« Ähnlich wie es dank des Taschenrechners seit Jahrzehnten kaum noch eine Veranlassung gibt, tatsächlich Kopfrechnen zu können, gibt es dank Google auch keinen Grund mehr, etwas zu wissen.
    Der moderne Mensch merkt sich nichts mehr und lagert so sein Lang- und Kurzzeitgedächtnis ins Internet aus. Wir haben buchstäblich den Kopf in der Wolke beziehungsweise in der Cloud, wie man heute sagt. Hatte es früher vielleicht noch ­einen gewissen Reiz, die Aufstellungen der deutschen Elf von 1954 bis heute auswendig zu können, 71 macht dergleichen mittlerweile nur noch Sinn, wenn man im »Quiztaxi« oder bei »Wer wird Millionär?« 72 sitzt.
    In allen anderen Fällen kann man bequem und umstan dsl os jegliche Information aus dem Netz abrufen. Die Hauptstadt der Nördlichen Marianen? Google – Boom – Saipan! De Niros erster Film? Google – Wikipedia – Boom – »Drei Zimmer in Manhattan«! Der König vom Inselstaat Fatschulla? Google – Häh? – Keine Treffer: Muss erfunden sein! 73
    Allerdings muss man im Rahmen der Sucherei auch feststellen, dass man oftmals gar nicht so visionär und originell ist, wie man denkt. Hin und wieder ist man der stolzen Überzeugung, dass diese oder jene Frage, die man ans Internet richtet, so noch nie jemand gestellt hat – und landet plötzlich auf gutefrage.net, wo exakt diese vermeintlich einmalige Frag e nicht nur gestellt, sondern auch schon von unzähligen Individuen beantwortet wurde.
    »Ist Pflanzendünger schädlich für Eichhörnchen?« Vor Google hätte man entweder beim örtlichen Veterinär oder Gärtner angerufen, um dann das schmeichelhafte »Das hat mich noch nie jemand gefragt!« zu hören. Es machte sich das wohlige Gefühl breit, Vordenker und Visionär in Sachen Eichhörnchensicherheit bei der Pflanzenpflege zu sein. Heute ist man einer von vielen, die zwischen tierischem und pflanzlichem Artenschutz abwägen und mit dieser Sorge online ­gehen.
    Doch nicht nur das menschliche Ego, nein, auch die Krea­tivität geht flöten. Fragte einen früher der vierjährige Sohnemann, was denn der Unterschied zwischen Obst und Gemüse sei, war man förmlich gezwungen, sich eine Antwort aus den unvernetzten Fingern zu saugen. »Also, Eva hat im Paradies in einen Apfel gebissen und sich mit Blättern bekleidet. Damit ist Obst alles, was lecker ist, und Gemüse das … ähm … was man sich auch anziehen kann.« Da saß dann der Sohnemann mit einem Pfirsich in der Hand und einem Brokkoli auf dem Kopf und hatte buchstäblich etwas, an dem er knabbern konnte. Heute setzt man sich gemeinsam vor den PC und findet zwar die echte, aber oftmals ziemlich unkreative Wahrheit. 74
    Sorgt das auf der einen Seite für eine Bullshit-freie Kindheit, eliminiert es auf der anderen Seite mit wenigen Klicks eine jahrhundertealte Legendenbildung, die zur Kindheit gehörte wie Windeln, Rasseln und Rolf Zuckowski: Sowohl Osterhase, als auch

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