Hilfe, die Googles kommen!
aber, wenn Schatzi gar nicht bei Google zu finden ist?
Damit ist er oder sie mindestens genauso verdächtig wie Menschen ohne Facebook-Profil oder Führerschein. Das sehen mittlerweile auch Arbeitgeber so, die ihre Bewerber googeln. Es werden immer mehr Fälle bekannt, in denen Firmen einen Berufsanwärter aufgrund seiner Absenz auf Google und Facebook für verdächtig halten und eher die Staatsanwaltschaft einschalten, als ihn zu engagieren. Es grassiert offenbar die Angst, sich einen Internetschläfer einzufangen, der jahrelang ein netzloses Dasein in WLAN -freien Räumen verbracht hat, nur um nach der Einstellung dreckige Web-Bomben mit Bildern, Videos und Texten aus Kindheit, Pubertät und freiwilligem sozialen Jahr ins Web explodieren zu lassen.
Eine übertriebene Vermutung? Die Wissenschaft ist sich in der Bewertung der auffällig Unauffälligen offensichtlich ebenso uneinig wie Politik und Medien. Selbst die, die Wissen schaffen, werden zuweilen vom Unwissen geschafft. Anders Breivik, der Attentäter von Oslo war Heavy-User und dermaßen präsent im Netz, dass der Hobby-Apokalyptiker und Sonntagssurfer Hans-Peter Uhl von der CSU festhielt, solche Taten würden im Internet geboren.
Klar, dass endlich jemand diesem Online-Dings einen Riegel vorschieben muss! Schickt einen virtuellen Sheriff rein, mit Gamsbart am Cowboyhut, einem Stoppschild am Revers und einer Trojanerpistole im Patronengurt. Schließlich macht das Internet gute Menschen böse und böse Menschen noch böser.
Ein Jahr später schießt James Holmes bis an die Zähne bewaffnet in einem amerikanischen Kino um sich. Alle Welt ist schockiert. Den Kulturpessimisten bleibt allerdings ihr »War ja klar, dass sowas passiert« im Halse stecken, als bekannt wird, dass Holmes im Netz praktisch nicht existiert. Google hilf! Kein Facebook-Profil? Keine Website? Keine militanten Forumsbeiträge? Was nun?
Die große Frage war, wo zum Geier der Irre von Denver seine Tat geboren hat. Sie wurde letztlich per Kaiserschnitt beantwortet: Die Gewalt im Kino führe zur Gewalt im Kino – womit die Diskussion jede Menge 80er-Jahre-Nostalgie mit sich brachte. 75 Ganz klar obendrein: Videospiele sind immer Schuld, diese Ego-Shooter, die unsere Kinder abstumpfen und zu Amokläufern ausbilden! Auf den Scheiterhaufen mit den Machern! Und verbrennt die gefährlichen Bücher … äh … Spiele gleich mit!
Kleiner Haken: Medienberichten zufolge spielte Holmes gerne »Guitar Hero«, ein Spiel, bei dem man mit einer Plastikgitarre Rockmusik nachspielt – nicht gerade das, was Al-Qaida zur Mobilmachung auf ihren Playstations laufen lässt. »Aber war Rock ’n’Roll nicht schon immer Quell alles Bösen?«, wurde verzweifelt nachgeschoben. Und so war man bei der Debatte unweigerlich in den 60er Jahren angekommen, in einer Zeit also, als Google noch in Sachsen am Weihnachtsbaum hing. 76 Vielleicht ist der Gedanke meinem schlichten Gemüt geschuldet, aber möglicherweise ist weder der Netzexhibitionist noch der ungoogelbare Mensch verdächtig – sondern eher der mit dem Gewehr in der Kommode.
Als Frühwarnsystem für soziopathische Massenmörder taugt Google also nur bedingt. Unveränderlich bleibt allerdings die Tatsache, dass die Anzahl an Google-Hits ein Gradmesser für Popularität und Bekanntheit ist. Das gilt für Politiker, A- bis Z-Promis und soziopathische Massenmörder ebenso wie für Schwingschleifer und Kaffeemaschinen. 77
Anhand der Suchergebnisse lässt sich gut quantifizieren, wie sehr etwas gerade Gesprächsthema ist. »Bier« erhält 70 Millionen Hits und steht damit doppelt so gut da wie »Milch«, die mit knapp der Hälfte auskommen muss. »Prost!« möchte man sagen, die Milch der Katze geben und dafür sein »Herrengedeck« (374.000 Hits) wegkippen, wäre da nicht die traurige Erkenntnis, dass »Cola« mit 354 Millionen Treffern alle anderen Getränke in den Schatten stellt. Plötzlich versteht man die koffeinschwangere, fickerige Stimmung in der Welt und wundert sich auch nicht mehr darüber, dass viele Menschen »Adipositas« (3,2 Millionen Hits) immer noch für eine Oper halten. Dazu passt auch die Erkenntnis, dass »Bubble Tea«, dieses teebasierte Gebräu, das mit dem Erbrochenen von zuckerkranken Astronauten angereichert wird, mittlerweile 11 Millionen Hits für sich verbuchen kann, während »Limonade«, also der Klassiker unter den süßen Flüssigprodukten, mit 5 Millionen Hits am Rande der Bedeutungslosigkeit entlangstrauchelt. Unruhig
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