Hilfe, die Googles kommen!
und Tempel bauen? Achttausender besteigen? Giftige Kugelfische essen? Mit Skistöcken durch den Sommerwald laufen? Wird gemacht! Seit jeher tun wir sinnlose Dinge mit großer Begeisterung, einfach nur, weil’s geht.
Diese nicht ungefährliche Mischung aus Tatendrang und Langeweile führte früher lediglich dazu, dass Männer Modelleisenbahnen gebastelt und Frauen Salzgebäck modelliert haben. Heute surft man ein bisschen herum, und schon züchtet Mutti im Gästebad Biolachse, während Vati im Heizungskeller sein eigenes Bier braut.
Vermeintlich sinnvolle Aufgaben aller Art kommen da natürlich wie gerufen. Gilt es eine Fußbodenheizung zu installieren oder das Dach zu isolieren, wird alle Energie, mit der seinerzeit die H0-Loks lackiert wurden, dahin umgelenkt. Selbst ist der Mann.
Wozu also noch den Elektriker rufen, um den Starkstromanschluss für den Küchenherd zu legen. Wie’s geht, steht doch im Internet. »Kann nicht so schwer s AAAAAAAAAAAH !«
Ein Zitat, das Dieter Wedel zugeschrieben wird, lautet: »Warum leckt ein Rüde sich die Eier? Weil er’s kann!« Die Frage ist nur, ob wir Rüden uns dabei irgendwann versehentlich die Hoden abbeißen oder nicht.
Das Depp/Scheiß-Kontinuum
Die soziale Interaktion wird durch die Do-it-yourself-Revolution massiv reduziert. Wer überlegt denn heute noch ernsthaft, wen in seiner Bekanntschaft er nach Erfahrungen mit Glaswolle beim Dämmen des Speichers fragen könnte? Den Opa anrufen und ihn nach seiner jahrelangen Expertise in der Pflege von Tomatenpflanzen interviewen? Da wird doch lieber schnell das Netz konsultiert und mit Hilfe eines YouTube-Videos das eigene Pflänzchen ausgegeizt. Ein Erfahrungsschatz wird nur noch dann gehoben, wenn er zuvor im Internet versenkt wurde.
Sollte man also ein Interesse daran haben, seine Lebenserfahrungen zu teilen, gilt es, sich schleunigst einen Blog zuzulegen, um die Erkenntnisse ins Netz zu hacken. Diese Wiki-sierung unseres Lebens hat sicher den großen Vorteil, dass so eine Datenbank mit allerlei Weltwissen entsteht, wie es einst nur großen Bibliotheken vorbehalten war. Die Leichtigkeit, mit der man Teil dieser Wissensmaschine werden kann, ist dabei Fluch und Segen zugleich.
Natürlich gibt es Kulturpessimisten und eitle Wissenschaftler, die diese extrem basisdemokratische Komponente des Internets belächeln – zum Schutz der eigenen Existenzberechtigung. In solchen Kreisen wird die Online-Weisheit gerne als die Cola light des Wissens bezeichnet. Die deutschen Talkshows sind voll von Unken aller Art, die aus verschiedensten Gründen die Angst vor dem Internet schüren. Letztlich geht es aber nur darum, reaktionäre Propaganda unter dem Motto »Früher war alles besser« 62 zu machen und damit Bücher zu verkaufen. 63 Wahr ist: Jeder Depp kann jeden Scheiß ins Netz stellen. Allerdings wird dieses Depp/Scheiß-Kontinuum von Websites wie Wikipedia relativ einfach unter Kontrolle gebracht. Dort macht man sich eine allgemeingültige Internetregel zunutze: Auf jeden Depp kommt mindestens ein Klugscheißer.
Und so entbrennt ein Kampf zwischen Deppen und Deppen, Klugscheißern und Klugscheißern sowie Deppen und Klugscheißern, bis am Ende jeder Scheiß hundertfach über prüft, korrigiert beziehungsweise neutralisiert wurde. Im Ideal fall ist alles, was nun da steht, auch unwiderlegbar wahr. Ist das nicht der Kern traditioneller wissenschaftlicher Arbeit? 64 Dank des Internets bedarf es dazu keiner neuen Bücher, die teuer gedruckt und mühsam veröffentlicht werden müssen, sondern nur einer Website, die in Sekundenschnelle auf dem neuesten Stand ist.
Stellen Sie sich vor, Archimedes, Albert Einstein, Marie Curie, Isaac Newton sowie Hunderte unbekannte Deppen und Klug scheißer hätten zusammen ein Physik-Wiki erstellt – wir würden unsere Energie mittlerweile absolut sauber aus Exkrementen gewinnen und hätten gelernt, Raum und Zeit an Montagen oder in Verkehrsstaus durch Krümmung zu reduzieren.
Natürlich ist die problemlose Verfügbarkeit von umfassenden Informationen eine wunderbare Errungenschaft des Internets. Man muss aber darauf hinweisen, dass mit manchem Expertenwissen möglicherweise nur Experten etwas anzufangen wissen. Die Interpretation der abgerufenen Auskünfte bleibt blöderweise oft am Laien vor dem Bildschirm hängen. Das kann traumatische Folgen haben.
Ein Beispiel: Haben Sie schon einmal online nach Krankheitssymptomen gesucht? Damit öffnet man die Büchse der Pandora. Auch
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