Hilfe, die Googles kommen!
Weihnachtsmann, Schnuller- und Zahnfee sind Google-bedingt vom Aussterben bedroht. Diese vier liegen sich mittlerweile wahrscheinlich vor Angst zitternd in den Armen und fürchten den Tag, an dem das Kind den Computer selbst bedienen kann.
Schon die simple Suche nach der E-Mail-Adresse des Weih nachtsmanns zwecks zeitgemäßer Wunschzettelübermittlung kann den googelnden Halbwüchsigen aus der Matrix gutgemeinter Lügen herausführen. »Mama, Papa! Google sagt, es gibt keinen Weihnachtsmann. Ist das wahr?« ist noch die harmloseste Konfrontation. Plötzlich müssen sich die Eltern für die nächtliche Entwendung der Babynuckel und die Aussage, der Weihnachtsmann könne keinen echten Hund bringen, weil die Rentiere sonst scheuen, rechtfertigen. Und ehe man sich versieht, hat findiger Juristennachwuchs eine Sammelklage auf Google+ koordiniert und zerrt unzählige Er ziehungsberechtigte wegen »Enteignung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen« vor den Europäischen Gerichtshof.
Eine ähnliche Problematik bedroht auch die Religionsgemeinschaften dieser Welt. Naturgemäß scheuen diese eine glaubenskritische Google-Recherche ihrer Anhänger wie der Teufel das Weihwasser.
Genauso wie Luthers Bibelübersetzung dem Nicht-Klerus Zugang zur heiligen Schrift verschafft hat, bietet Google den Noch-Gläubigen Zugang zu Kritik, Gegenmeinung und Alternative. Google nagelt seine unzähligen Thesen an die digitalen Kirchenpforten der Welt und ist dadurch mit seiner bunten Weltanschauung so etwas wie der neue Protestantismus.
Auch allzu weltliche Glaubenssysteme wie Staats- oder Wirtschaftsformen werden von Google auf eine harte Probe gestellt. Nicht umsonst bemühen sich vermeintlich demokratische, vor allem aber autokratische und diktatorische Systeme um Zensur oder Verbot der Wahrheiten aus dem Netz.
Doch das wird immer schwerer. Es »leakt« an allen Ecken und Enden, und selbst der Heilige Vater musste mehrfach feststellen: Gott vergibt – doch das Internet nie! Halleluja! Selbst der Vatikan ist davor nicht gefeit. Sauereien aller Art lassen sich selbst mit zwanzig »Vater unser« und vierzig »Ave Maria« nicht mehr wegbeten. Da der Beichtstuhl unserer Zeit mittlerweile im Internet steht, lässt sich auch die Unfehlbarkeit des Papstes regelrecht zerklicken. Heute brennen auf den Scheiterhaufen im Netz gerade jene, die in früheren Zeiten salbungsvoll das Feuer für andere entzündet hätten – das ist die wahre Inquisition 2.0.
Ich möchte Google hier keinesfalls mit dem gesamten Netz gleichsetzen, da Google zwar im Internet, nicht aber das gesamte Internet in Google verfügbar ist. Dennoch ist es für unzählige Normal-User die ultimative Schalt- und Schnittstelle, wodurch die Suchmaschine mit dem globalen World Wide Web verdammt große Schnittmengen aufweist. Man könnte sogar fast behaupten: Das, was Google nicht ausspuckt, existiert praktisch auch nicht.
Wenn Google morgen das Saarland aus allen Suchabfragen filtert, sind spätestens übermorgen große Teile der Weltbevöl kerung davon überzeugt, dass es das Saarland tatsächlich nicht gibt. Ein attraktiver Gedanke zwar, dennoch werden hier Gefahren deutlich, die allen Machtsystemen innewohnen. Auch wenn man es gerne übersieht: Google ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen und unterliegt nur bedingt der Kontrolle von Staat, Kirche und Frank Plasberg. Hinter dem unfehlbaren Netzpapst »Google dem Ersten« stehen ziemlich menschliche Kardinäle, die ihre Macht über die Algorithmen allzu leicht missbrauchen könnten.
Was, wenn die Unternehmensführung aus Gier und freien Stücken beschließt, den unliebsamen Konkurrenten aus den Suchlisten zu tilgen oder zahlungskräftige Firmen bei Produktsuchen an die Spitze der Suchliste zu schieben? Was, wenn Regierungen oder sonstige Organisationen den Suchmaschinenbetreibern mittels Pferdeköpfen in den Betten und allabendlichen Drive-by-Shootings Angebote zur »Suchlistenoptimierung« machen, die sie nicht ablehnen können?
Wenn der Netzdienst Google ein Superheld wäre, könnte er nur Spider-Man sein. Und wie heißt es da sehr schön: »Aus großer Kraft folgt große Verantwortung.« So kann man sich nur wünschen, dass Google weiterhin eher der gute Spidey ist, als zum bösen Green Goblin zu werden. Ich fürchte, wir müssen wachsam bleiben.
Wenn Google zwischen uns steht
Erziehung, Religion oder Gartenarbeit – Google findet mittlerweile in sämtlichen Bereichen des menschlichen Lebens
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