Hilfe, die Googles kommen!
kommen!«
»Wer?«
»Na, die Googles!«
»Wer ist das denn?«
»Das ist anscheinend so eine amerikanische Familie, die das Internet gekauft hat.«
»Ach, sind die nicht verwandt mit den Geschwistern Fääsbuck?«
»Genau.«
»Und die kommen?«
»Ja!«
»Herrgott, was machen wir da bloß?«
»Keine Ahnung! Kaffee und Kuchen?«
Es war also geklärt, welche digitalen Horden gegen die ana logen Stadtmauern marschierten, nicht aber, wie man sich zu verhalten hatte, und schon gar nicht, was die Angreifer überhaupt vorhatten:
»Und was machen diese Googles?«
»Schtriehtfjuh!«
»Was?«
»Schtriiiiehtffjuuuh!«
»Und ist das böse?«
»Na, klar. Schließlich kann ich es nicht aussprechen.«
Auf einmal stand das böse Wort »Street View« im Raum und sah gar nicht gut aus.
»Was machen die da bei dem Schtriehtfjuh?«
»Ich hab gehört, die fotografieren unser Haus.«
» NEIN! «
» DOCH! «
» AHHHH! «
» VON AUSSEN! «
» OH GOTT! UND WAS MACHEN DIE MIT DEN BILDERN? «
» DIE STELLEN DIE INS INTERNEEEEETTTT! «
Da war es bei vielen Menschen aus, vorbei, und die Sache klar:
»Die stellen Bilder ins Internet? Da war mal was in der Bild . DAS IST NE SAUEREI! DAS SIND PEVERSE! «
Sicher – wer hat nicht schon von diesen widerlichen Immobilienfetischisten gehört, die sich in geheimen Internetforen treffen und scharfe Bilder von Häusern tauschen: »Tausche willige Stadtvilla gegen geile Doppelhaushälfte!« – »Suche lesbisches Loft mit offenem Kamin!«
Abstoßend! Am meisten Angst vor dem Internet hatten plötzlich die Menschen, die gar nicht ins Internet gingen. Wahrscheinlich, weil sie dachten: »Oh Gott, jetzt kommt das Ding zu mir.« Oder pragmatischer: »Die Googles kommen – und ich Depp hab nix mehr eingefroren.«
Über 240.000 Einsprüche gegen Google Street View gab es in Deutschland – und wahrscheinlich noch eine sehr hohe Dunkelziffer von Leuten, die nicht wussten, wie sie sich das Einspruchsformular aus dem Internet herunterladen konnten. Verzweifelte Menschen legten ihre Laptops auf Kopierer, kurz: Man hatte eine Scheißangst vor den Googles. Wobei es eigentlich keine Angst war, sondern eher Paranoia.
Kennen Sie den Unterschied zwischen Angst und Paranoia? Sie gehen an einem Hochhaus vorbei, während ein Umzugsunternehmen gerade mit einem Flaschenzug einen Steinway-Flügel in den 12. Stock zieht. Wenn Sie da drunter durchlaufen, haben Sie Angst. Wenn Sie jetzt aber Angst haben, obwohl kein Flügel da ist, haben Sie Paranoia. Die immer noch präsente Google-Paranoia resultiert aus der Tatsache, dass das Thema kompliziert ist und viele Menschen schlicht nicht durchblicken.
Daher ist es wichtig, sich mit den Fakten auseinanderzusetzen: Wenn Sie mit dem SUV durch ihre Nachbarschaft fahren, sehen Sie genau das Gleiche wie auf den Fotos im Internet – nicht mehr und nicht weniger. Dass Google einfach mal so die AGBs ändert und bei der Zusammenlegung von seinen Diensten Nutzerdaten nahezu unkontrollierbar verknüpft, das ist bedenklich, aber Google Street View ist als Teil von Googles Produktportfolio vergleichsweise harmlos. Jeder Atlas von 1939 ist gefährlicher. Dennoch war bisher kein Aufschrei entrüsteter Datensubjekte größer als im Falle von Googles pittoresken Panoramabildern. Politiker jeglicher Couleur wetterten gegen die »Datenkraken« aus dem Netz. Die Diskussion darüber, ob die Straßenfotos überhaupt dem deutschen Recht entsprächen, verunsicherten Bücherfreunde im ganzen Land: »Oh Gott, ich habe noch einen Bildband von Leipzig zu Hause. Mach ich mich damit jetzt strafbar?«
Über Nacht waren deutsche Häuserfassaden plötzlich schützenswerter als Humboldt-Pinguin, Juchtenkäfer und iberischer Luchs zusammen. Sogar die schwerstens gefährdeten rumänischen Hamster wären bestens behütet gewesen, hätten sie im Sommer 2010 ihren Urlaub in deutschen Vorgärten verbracht. Nun ja, zumindest hätten sie, unbehelligt von Google Street View, ausführlich FKK machen können. Ein gefährliches Gemisch aus Halbwissen, Viertelverständnis und Achtelinformation sorgte für zwar nachvollziehbare, aber unsinnige Bedenken beim deutschen Hausbesitzer: »Oh Gott, die Googles kommen zum Knipsen. Muss ich jetzt die Fassade neu streichen? Soll ja schön aussehen auf dem Foto. Und muss ich jetzt jedes Mal lächeln, wenn ich aus der Haustür gehe?«
Das ist auf jeden Fall zu empfehlen, es sei denn, man will mit übellauniger Fresse im Internet zu sehen sein, und jeder, der es
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