Hilfe, die Googles kommen!
Die Leute wissen also nicht, welches Geschlecht er hat, und wenn doch, sind sie unsicher, wie es ausgerichtet ist. Das interessiert die Menschen offenbar mehr als jegliche fußballerische Strategie des Bundestrainers.
Alles das, was man hinter der berühmten »vorgehaltenen Hand« diskutiert, wird gnadenlos in die Suchmaschinen getippt. So zeichnet die Suchmaschine ein zutreffendes Bild unserer Gesellschaft.
Bei Gundula Gause verrät der Vorschlag »Switch«, dass ihre eigene Parodie in der Pro7-Sendung begehrter ist als das Original, und die Frage, warum Klaus Kleber uns Zuschauer immer so schief anschaut, beschäftigt wohl nicht nur mich, da bei Google der Zusatz »Schlaganfall« 79 auftaucht.
Durch die ungehemmten Internetrecherchen der User kann Google die Essenz eines Prominenten zusammenfassen: Man googelt zum Beispiel »Klaus Kinski« und erhält »Ausraster« und »Jesus«, so als hätte der Mann Zeit seines Lebens damit verbracht, die Bergpredigt zu schreien. »Jopi Heesters« wird posthum mit »rauchen«, »Grab« und »Hitler« bedacht. Veronica Ferres 80 muss mit »Filme«, »Sexszenen« und »Tochter« leben. Jawohl, wer glaubt, dass Sexismus aus der modernen Gesellschaft getilgt wurde, braucht nur Barbara Schöneberger googeln und wird eines Besseren belehrt: Schon bevor man das Ende des Nachnamens getippt hat, schlägt Google als Ergänzung »hot«, »Brust«, »Po« und »Tanga« vor. Mesut Özil hingegen ist laut Google ein »Kurde« mit »Augen«. Mit am schlimmsten trifft es Boris Becker, den Google mit »Pleite«, »Tochter« und, oh Wunder, »Besenkammer« ergänzt.
Bettina Wulff, die ehemalige First Lady unseres Landes, klagte im September 2012 medienwirksam gegen Google und seine vorgeschlagenen Suchbegriffe. Wenn man ihren Namen eintippte, schlug Google »Escort-Service«, »Rotlicht« oder »Bordell« vor, weil in der Öffentlichkeit haltlose Gerüchte über eine schlüpfrige Vergangenheit existierten. Dagegen galt es vorzugehen. Gut zu wissen, dass im Hause Wulff die Wahrheitsfindung stets bei den wirklich wichtigen Dingen begann. 81
Deswegen aber nun Google zu verklagen, ist ein bisschen wie im Mittelalter, als man den Überbringer schlechter Nachrichten eliminierte. Letztlich sind wir User es doch, die Blödsinn ins Netz stellen und auch noch jede Schlüpfrigkeit durchgoogeln, bis die einstweilige Verfügung kommt. Google ist damit nichts anderes als unser Spiegelbild, mit unserer ganzen niederträchtigen Weltsicht und unseren verwerflichen Surfgewohnheiten.
Würde Goethe also heutzutage vielleicht sagen: »Zeige mir, was du googelst, und ich sage dir, wer du bist«? Andererseits – was weiß Goethe schon? Ich halte es da mit einem anderen Dichter und Denker, nämlich Jesus, der sicherlich sagen würde: »Wer noch nie nach dreckiger Wäsche gegoogelt hat, der werfe den ersten Stein.« Schließlich macht es doch auch einen Heidenspaß!
Darth Google
Bei aller moralischen Ambivalenz – Google ist im Grunde äußerst fair. Schließlich sitzt die komplette Menschheit im gleichen Boot: Jeder googelt jeden, und jeder wird von jedem gegoogelt – die einen mehr, die anderen weniger. Dabei werden wir von wohlgesinnten Zeitgenossen genauso durch die Google-Suche gejagt wie von Finanzdienstleistern, Inkassofirmen oder zukünftigen Arbeitgebern.
Eine Frau, die sich im eltern.de-Forum nach dem ersten noch sieben weitere Kinder wünscht, wird unabhängig von ihrer Qualifikation bei ihrer Bewerbung in die mittlere Führungsebene bei McKinsey kaum Chancen haben. Ebenso ist ein Profil bei gayromeo.com für die Lufthansa wohl kein Problem, während es die Erfolgsaussichten für die Position eines Pfarrbüroleiters in Oberbayern wahrscheinlich drastisch verschlechtert.
Sollte das Familienministerium also vielleicht Kampagnen zur Internethygiene in lockerer Jugendsprache schalten, wie »Wer früher fiese Sachen klickte, ist in der Zukunft der Gefickte!«? Sollten die Kirchen in Zukunft statt vorehelichen Ge schlechtsverkehr zu geißeln lieber am vorberuflichen Internet verkehr Anstoß nehmen? Darauf sage ich ganz entschieden: Jein! Denn wie schon zuvor beschrieben, ist auch die völlige Netzenthaltsamkeit mittlerweile ein schädliches Stigma.
Es ist wirklich zum Haareraufen: Wie man surft, surft man verkehrt. Politisch korrektes, moralisch tadelloses und Google-sicheres Surfen ist nahezu unmöglich, wenn man an die unendlichen schlüpfrigen Verlockungen denkt, die das Netz
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