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Hilfe, die Googles kommen!

Hilfe, die Googles kommen!

Titel: Hilfe, die Googles kommen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Mann
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kleinen und großen Ereignisse in der Welt.
    Saßen Nachrichtenwebsites einst als Baby auf dem Kindersitz des Newsmobils, sitzen die Online-Ableger gedruckter Zeitungen mittlerweile am Steuer. Auf der Rückbank halten sich die Print-, TV- und Radioformate panisch die Augen zu, weil das ungezogene Internet-Gör, statt umsichtig den Wagen zu lenken, in wilde Raserei verfallen ist. Reichte es vor ein paar Jahren noch, mit der gebotenen Ruhe über Neuigkeiten zu berichten, scheint heute das Bestreben zu dominieren, Katastrophen oder Skandale schon auf die Website zu zaubern, bevor sie überhaupt passiert sind. Die Frage ist nicht mehr, wer die besten Informationen hat, sondern wer sie am schnellsten als Eilmeldung über seine Startseite raushauen kann. »Angela Merkel im Krankenhaus? Raus damit. Swooosh … Ach, sie holt nur Ku chen beim Krankenhauskonditor? Egal!« Recherchieren wird offen­bar zunehmend als nicht mehr zeitgemäß angesehen:
    »Isses denn wahr?«
    »Egal, es muss schnell online.«
    So wird manchmal die gesamte Bevölkerung von nur grob recherchierten Halbwahrheiten in den Wahnsinn getrieben. Beispiel gefällig? Eine schöne Tradition der Journaille ist das hemmungslose Hochschreiben von Seuchen und Epidemien, das in zuverlässiger Regelmäßigkeit die Titelseiten von Druck- und Online-Erzeugnissen ziert. Ob Rinderwahnsinn, Killer-, Vogel- oder Schweinegrippe – irgendwas ist immer drauf und dran, die Welt in den sicheren Untergang zu reißen. Wenn gar nichts mehr geht, werden unter der Überschrift »Himmel hilf! Borreliose und FSME sind zurück!« großformatige Bilder von diabolisch grinsenden Zecken unter die Leute gebracht. Und wir machen jedes Mal wieder mit. Selbst wenn man sich noch so sehr vornimmt, sich diesmal nicht impfen zu lassen, ruhig zu bleiben und sich erst recht splitternackt über die Waldwiese zu rollen – irgendwann kriechen einem die tausend Schlag­zeilen ins Hirn und stochern mit ihren Ausrufezeichen dort ­herum, wo das Panikzentrum sitzt. Oftmals stellt sich hinterher heraus, dass der ganze Bammel auf falsch interpretierten Statistiken, missverstandenen Interviews und aufgeblasenen Einzelfällen basierte.
    So auch bei einer der gefährlichsten Epidemien, die uns in den letzten Jahren heimgesucht hat: EHEC . Dieser Erreger hatte aber auch wirklich alles, was ein bakterieller Bösewicht braucht: unaussprechlicher Name, knackige Abkürzung, Übertragung durch Lebensmittel und ein bis dato unbekannter Verlauf. Der Osama bin Laden unter den Darmbakterien hatte anscheinend nur ein Ziel: ein 9/11 im Verdauungstrakt anzurichten!
    So etwas ist natürlich ein feuchter Traum für jeden Publizisten. Der enterohämorrhagische Escherichia coli ( EHEC ), der für das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) verantwortlich zeich­net, wurde so im Jahre 2011 zum absoluten Superstar – und das, wie ich glaube, aufgrund mangelhafter Recherche.
    Meine Theorie ist folgende: Bei der Pressekonferenz des Ro bert-Koch-Instituts 130 sagte wahrscheinlich einer der Sprecher etwas lax: »Wir suchen PANISCH nach den SCHURKEN «, und die anwesenden Journalisten, in einem Ohr das Bluetooth-Head set mit Standleitung zur Redaktion, haben sich schlicht verhört:
    »Was hat er gesagt? SPANISCHE GURKEN? «
    »Hab ich auch verstanden. Wollen wir noch mal fragen?«
    »Nein, muss schnell online.«
    So tickerten die spanischen Gurken als Übeltäter über alle Kanäle, und siehe da: Die Angst vor den südländischen Killergurken 131 griff um sich. Kurioserweise hatte plötzlich jeder Schiss wegen EHEC – und das, ohne daran erkrankt zu sein. Aufgebrachte Firmenmitarbeiter verlangten in ihren Kantinen Herkunftsnachweise für Kürbisgewächse und bestanden auf einen Sprachtest für Sättigungsbeilagen. Der verängstigte Mob forderte lautstark die Aufhebung des Asyls für ausländisches Gemüse und flüchtete sich mit Parolen wie »Kauft nur noch beim Bauern um die Ecke!« in blindwütigen Protektionismus. Die Bild -Zeitung titelte sinngemäß »Esst deutsch!«, und als wäre das noch nicht genug, bekamen die spanischen Gurken Post vom irren Wagner und seiner Zahnlücke: »Pfui! Ich habe euch noch nie getraut.«
    Selbst unschuldiges Gastgemüse, das zum Teil schon seit Jahrzehnten in Deutschland angeboten wird, wurde Opfer dieses Salat-Nationalismus, und so vergammelten französischer Lauch und holländische Tomaten in den Auslagen der Supermärkte.
    Auch mich packte die Panik. Als meine wesentlich gelassenere Frau

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