Hilfe, die Googles kommen!
Gefühl, man würde sich um mich als Kunden sorgen.
Letztlich war meine Entrüstung ebenso wie das Verhalten der Supermarktangestellten der Dauerkommunikation via Internet geschuldet. Sie verfehlte das richtige Chatfenster, während ich mit dem Gefühl, ausnahmsweise mal nicht angesprochen zu werden, einfach nicht mehr umgehen kann. Durch die schnelle und einfache Interaktion im Netz werden wir nämlich buchstäblich überall eingebunden und um unsere Meinung gefragt.
»Voten Sie!«, »Bewerten Sie!«, »Machen Sie mit!«, »Wie finden Sie’s?« und »Besuchen Sie uns auch auf Facebook!« Selbst im Fernsehen, klassischerweise ein einseitiges Medium, werden die Zuschauer mittlerweile aufgefordert, das Programm offline zu gucken und online zu kommentieren. Die Fernsehmacher zaubern daraus dann den großen Auftritt der Twitter-Expertin oder des Netz-Spezialisten, die dem staunenden Fernsehzuschauer brisante Tweets zum laufenden Programm oder zu aktuellen Ereignissen präsentieren.
In der Realität sieht das zumeist so aus, dass eine unterbezahlte Praktikantin aus der Kulisse vor die Kameras stolpert und verbal ungelenk, technisch aber halbwegs versiert via Tablet oder Laptop Online-Weisheiten auf die Videowall zaubert.
»Hüstel, wir haben viele interessante Diskussionen auf Twitter gefunden. Hier zum Beispiel von User @naggischerdregg sagg: ›Klaus Kleber ist ne coole Sau!‹«
Na, vielen Dank, Frau Expertin! Vielen Dank, naggischerdreggsagg! Ohne diesen Beitrag stünde die Fernsehwelt natürlich ein ganzes Stück ärmer da.
Auch hier sieht man: Mitmachen lohnt sich, und so werden uns nach und nach Vorgänge, die keine Beteiligung unsererseits verlangen, immer suspekter. Selbst Fußgängerampeln, an denen ich nicht auf einen Knopf drücken muss, empfinde ich mittlerweile als unangenehm. Was dem Facebook-User sein »Gefällt mir«-Button, ist dem Passanten sein »Signal kommt!«-Drücker.
Wechselbeziehungen sind alles. Man wähnt sich selbst in Bus und Bahn mittlerweile im Internetforum und möchte ständig in die Gespräche anderer Leute »hineinposten«.
Es wird nicht mehr lange dauern, bis der Störer im Theater, also der unangenehme Zeitgenosse, der lautstark das Bühnengeschehen kommentiert, zur Normalität wird. Möglicherweise bieten Bühnen demnächst Monitore an, auf die man während der Vorstellung seine Kommentare posten kann. Bei Pop- und Rockkonzerten zuweilen schon üblich, wäre das mit Sicherheit auch für die Hochkultur ein Schritt in eine zumindest interessante Richtung, wenn bei Shakespeare der Hinweis »König Duncan, dreh dich um. Macbeth hat nen Dolch« oder in Salzburg eine Diskussion über die Körbchengröße der Buhlschaft über die Twitterwall am Bühnenrand flimmert: »Jeder Mann wünscht sich größere Hupen! LOL !«
Der internetgestählte Durchschnittsmensch gibt täglich mehr Senf ab als eine florierende Wurstbude zur Mittagszeit. Keine Nachricht, kein Kommentar und keine Statusmeldung ist trivial genug, als dass sie nicht noch von irgendwem kommentiert würde.
Natürlich lässt sich diese Entwicklung hin zu einer Kultur der Meinungsfreiheit und -vielfalt durchaus positiv sehen. Nicht zuletzt diesem Prozess ist das Mediengeschöpf des »Wut bürgers« zu verdanken, also das mündige Individuum, das unmittelbar, lautstark und mit Verve und Plakat am politisch-gesellschaftlichen Geschehen teilnimmt. Demos sind nun zwar nichts Neues, waren in der Vergangenheit aber eher keine Veranstaltungen, bei denen sich der graumelierte Oberstudienrat Arm in Arm mit dem volltrunkenen Punker von der Polizei wegtragen ließ.
Im Internet aber bekommt der Mensch den Eindruck, dass seine Meinung gehört beziehungsweise gelesen wird. Dieses Gefühl überwindet die eh nur gedachte Grenze zwischen Offline- und Onlinewelt und führt Leute auf der Straße zusammen, die beim Anblick der Mitstreiter früher eher die Straßenseite gewechselt hätten. Die Erkenntnis: Wenn man mit Fremden im Internet Diskussionen führen und zu einer gemeinsamen Agenda gelangen kann, geht das auf öffentlichen Plätzen genauso.
Diese sozialromantische Interpretation wird nun zu einem jähen Ende kommen, wenn man sich die Schattenseiten der Meinungsfreiheit unserer Netzkultur ansieht.
Von Trollen, Mardern und Nacktmullen
Die höfliche Zurückhaltung, die in sozialen Netzen wie Xing oder Facebook oftmals zu beobachten ist, verblasst fernab der dort üblichen Klarnamen 143 zu einer schönen Idee. Sobald man sich
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