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Hilfe, die Googles kommen!

Hilfe, die Googles kommen!

Titel: Hilfe, die Googles kommen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias Mann
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    4. Der Erkenntnisgewinn tendiert gegen null.
    Das Ende des Dramas kommt dann entweder schleichend, weil die Diskussionsteilnehmer nach und nach aussteigen, oder schlagartig in Form des ultimativen »Deus ex machina«: der Administrator, der die Diskussion schließt, weil die Forenregeln verletzt wurden. Im ersten Falle gibt es einige Wochen später oftmals noch einen Epilog durch den Alpha-User: »Habe mich für Malzbier entschieden. Ist sicherer.«
    So lässt sich also über Sinn und Unsinn von Online-Foren und Internetdiskussionen trefflich streiten. Natürlich werden alle FAZ -Leser und Zeit -Abonnenten da draußen eh schnippisch die Nase rümpfen und sagen: »Ich käme nie auf die Idee, an so einem Blödsinn teilzunehmen.«
    Aber mal ehrlich: Verlaufen nicht auch offline bestimmt achtzig Prozent der Gespräche in Menschengruppen nach einem ähnlichen Muster? In den seltensten Fällen verlässt man ein mit redseligen Zeitgenossen besetztes Zugabteil und hat weltbewegende Erkenntnisse über Gottesbeweise gewonnen – oder war Teil einer fundierten Risikoanalyse zum Thema »Clausthaler in der Schwangerschaft«.
    Selbst exzellent besetzte Expertengespräche scheitern regelmäßig nach Strich und Faden, was einem wahrscheinlich die Herren Jauch und Plasberg ebenso bestätigen können wie die Damen Maischberger und Will. Und Millionen Berufstätiger werden mir zustimmen, dass auch bei dienstlichen Meetings der Erkenntnisgewinn und das Niveau häufig so bescheiden ausfallen, dass man vor Schreck den Kaffee über Zeit und FAZ schüttet. Der Mensch will gefragt werden und auf jeden Fall auch antworten, egal, ob er tatsächlich etwas zu sagen hat oder nicht. Selbst nichts zu sagen führt ja hin und wieder zu unendlichen Diskussionen, die in Ausnahmefällen sogar in die Geschichte eingehen. Dr. Helmut Kohl kann ein leises Liedchen davon singen. 149
    Letzten Endes ist das ultimative Pendant zur Internetdiskussion der Elternabend in Schule oder Kita. Auch da prallen wild zusammengewürfelte User in einem Forum aufeinander, um Thread 150 -weise zu Ergebnissen zu kommen. Glauben Sie nicht? Nehmen Sie zu einem dieser Events mal zwei Kästen Bier mit – einen mit normalem Bier für alle und einen mit alkoholfreiem für die schwangeren Frauen.
    Möwen im Shitstorm
    Natürlich nährt das Internet so unser Mitteilungsbedürfnis und bietet eine schier unbegrenzt verfügbare Plattform für jeglichen Meinungserguss. Es ist fast unmöglich, im Internet neutral zu bleiben. Selbst wenn man sich noch so sehr bemüht, die Schweiz zu sein, wird man an allen Ecken und Enden aufgefordert, eine Bewertung abzugeben und damit entweder zur USA oder zu Nordkorea zu werden.
    So züchtet das Netz die Trolle, die es irgendwann vielleicht einmal zerstören werden. Ja, vielerorts ist der Bewertungswahn so ausgeprägt, dass man die Bewertung einer Meinung nochmals bewerten kann, was wiederum einem Votum unterzogen wird.
    Amazon lässt Produkte, eBay Verkäufer und iTunes Musik bewerten – so weit, so gut. Es gibt aber fast keine Inhalte mehr im Internet, die nicht mit Sternchen, Punkten oder Smileys bewertet werden können. Man kommt sich fast wie in der Grundschule vor. Nun ist aber eine dpa-Meldung auf einer Newswebsite kein Schönschreibdiktat, sondern ein hoffentlich sachlicher Pressefetzen, der schlichte Fakten zum Besten gibt. »In der chinesischen Hafenstadt Tianjin ist unter unge klärten Umständen ein Reissack umgestürzt, wodurch mehrere Kilo mandschurischer Wasserreis auf dem Boden landeten. Die Behörden suchen fieberhaft nach den Verantwortlichen. Es sind keine Deutschen unter den Opfern.«
    Wenn man nun aufgefordert wird: »Bitte bewerten Sie diesen Artikel«, ja was genau soll ich da denn beurteilen? Den Inhalt der Nachricht? Die Darreichungsform der Details? Beides? Wenn ich nun drei von fünf Sternen vergebe, ändert das weder die Nachricht noch deren Informationsgehalt und schon gar nicht die Füllmenge des Sacks. Es ist im Prinzip genauso sinnlos, wie bei der Statusmeldung »Es wird Sommer« auf »Gefällt mir« zu klicken, weil es
    a) nichts an der Faktenlage ändert und
    b) den Sommer nicht interessiert, weil der gar nicht bei Facebook ist.
    Man kann zu schlichten, nackten Informationen nicht immer eine Meinung haben, laut Internet muss man aber. Heraus kommt eine Rating-Kultur, die die so oft gescholtene Situation in der Finanzwelt spiegelt. Egal, ob die Ratingfirma Moody’s oder Fitch heißt – letztlich haben wir es

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