Hilfe, ich habe Urlaub
lautet: Nimm nur halb soviel Kleidung mit, wie du vorgehabt hast, und doppelt soviel Geld.
Auf seinem Bett stapelt sich vor jedem Urlaub seine komplette Garderobe.
Falls jemand ihm auf Reisen »zufällig« den Friedensnobelpreis verleihen sollte, kann er passend gekleidet erscheinen.
Er hat die nötige Ausrüstung, um als Söldner mit dem Fallschirm hinter den feindlichen Linien abzuspringen oder um ein Torpedoboot durch einen Sturm zu manövrieren.
Ob Langstreckenlauf, Kostümparty, Hotelbrand, Kegelturnier, Western-Grillparty oder
vierzig Tage und vierzig Nächte Regen - er ist vorbereitet.
Er kann eine Unterwasser-Hochzeit besuchen oder eine Bergwanderung machen, Reifen
wechseln oder ein Schiff taufen.
Er hat Kleider dabei, die er gegen Maultiere eintauschen oder mit denen er im
kolumbianischen Dschungel einen Pfadfinder anheuern kann. Ob Schnorcheln oder Safari, Teetrinken, Lagerfeuer oder eleganter Salon - er hat die passende Garderobe.
Er besitzt ein Bügeleisen, das 368 Gramm wiegt und sich auf Kugelschreibergröße
zusammenfalten läßt, einen Haartrockner und eine Weltzeituhr, die anzeigt, wie spät es gerade da ist, wo wir nicht sind (und nichts davon paßt in eine ausländische Steckdose).
Er nimmt seine eigene Kaffeekanne mit, einen Kassettenrecorder und eine Sporttasche voll mit Sprachlernkassetten. Er hat Tom Clancys letzten 800-Seiten-Schinken im Hardcover dabei, einen Feldstecher, einen Taschenrechner, mit dem man Dollarbeträge in fremde Währung umrechnen kann, bleibeschichtete Beutel als Schutz für seine Filme, ein Schweizer
Taschenmesser und mehrere Rollen Toilettenpapier. Und jeden seiner Schuhe verpackt er wie ein Weihnachtsgeschenk.
Schließlich legt er in ausgewählten Reisetaschen kleine Lebensmittelvorräte an. An diese Taschen klammert er sich wie an Diplomatengepäck. Er hat Müsli dabei, Kräcker,
Trockensuppen, Obst, Dauerwurst, Gummibärchen und Schokoriegel. Ich weiß nicht, wie ich ihm beibringen soll, daß es so was auch in London gibt.
Ich dagegen befolge stets die Ratschläge von Susi Satteltasch. Sie ist eine wirkliche Expertin in punkto Reisen und spricht einmal im Monat aus dem Fernsehen zu uns.
Vielleicht ist Susi Satteltasch ein Künstlername - jedenfalls gibt sie gute Tips.
Susi sagt, wenn Sie wirklich ökonomisch packen, können Sie aus einer Garderobe von zwölf Teilen hundertfünfunddreißig Kombinationen machen und drei Wochen lang gut angezogen sein.
Auf meinem Bett lag fein säuberlich mein Ensemble: ein Basiskleid, ein Rock zum Wenden, Blazer, Shorts, Hosen, Bluse, T-Shirt, Wolljacke, zwei Schals, Schirmmütze und ein Overall für die Fahrt plus Unterwäsche und ein paar Toilettenartikel.
Wenn wir das Gepäck meines Mannes vor der Haustür stapeln, denkt jeder, es handele sich um die Tournee-Ausrüstung für das Musical »Starlight Express«.
Doch diesmal überspannte er den Bogen wirklich. Gerade als ich meinen handlichen Koffer zumachen wollte, fragte er scheinheilig: »Du hast doch sicher noch ein Plätzchen für mein Stativ?« Für diejenigen unter Ihnen, die glauben, daß Fotos auf Postkarten wachsen, füge ich hinzu, daß ein Stativ ein dreibeiniges Gestell ist, auf dem eine Kamera so festgemacht wird, daß nichts verwackeln kann. Voll ausgefahren erreicht ein Stativ Hüfthöhe und wiegt etwa zwei Kilo.
Männer mit Stativen erzählen gern, wie sie es geschafft haben, einen Kolibri beim Schielen zu fotografieren oder eine Wolke über dem Kreml aufzunehmen, die die Form von Gorbatschows Stirnfleck hatte - in den seltensten Fällen werden sie verraten, daß ihr Stativ dabei friedlich in einer Ecke des Hotelzimmers lag.
»Wozu brauchst du ein Stativ?« fragte ich geduldig.
»Nur für den Fall, daß ich meine Kamera fixieren muß, wenn ich eine atemberaubende
Aufnahme von den Alpen mache oder so.«
»Du benutzt doch sowieso nur die Pocketkamera von meinem Vater. Was gibt’s da zu
fixieren?« fragte ich.
Doch sollte ich mich streiten? Ich drückte das Stativ auf mein Ensemble aus zwölf Teilen mit einhundertfünfunddreißig Kombinationsmöglichkeiten, in dem ich drei Wochen gut angezogen sein würde.
Ich klappte meinen Koffer zu, verschloß ihn und setzte mich zum Warten auf das Bett.
Bis zu unserer Abreise nach Europa waren es noch zwei Wochen.
Europa in 21 Tagen
»Es ist unser neuntes Land und unser vierzehntes kontinentales Frühstück«, wiederholte ich gereizt.
Mein Mann schüttelte den Kopf. »Da irrst du dich ganz gewaltig. Es
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