Hilfe, mein Chef ist ein Affe
verschiedenen Abteilungen einer Firma, sondern auch zwischen verschiedenen Nationalitäten beobachten.
• Affen lieben ihre Regeln und führen ungern neue ein.
Und die Affen? Auch unsere tierischen Verwandten verstoßen nur sehr ungern gegen »altbewährte« Regeln ihres Zusammenlebens. Es wäre zum Beispiel undenkbar, dass ein rangniederer Schimpanse sich dem Anführer plötzlich nicht mehr mit Lippenschmatzen nähert, sondern mit einer ganz neuen Variante, etwa indem er die Haare sträubt. Er könnte damit sein Leben aufs Spiel setzen, denn der Anführer und die übrigen Gruppenmitglieder würden ihn nicht verstehen. Affen ändern ihre Regeln nur, wenn es für die Gruppe eindeutig von Vorteil ist oder wenn es eben gar nicht anders geht.
Bei Fusionen und Umstrukturierungen liegen die Dinge anders. Da wird erwartet, dass es schnell geht mit dem Zusammenwachsen und die neue Firmenkultur zügig verinnerlicht wird. Die Verantwortlichen stellen diesen Prozess oft als natürlich und selbstverständlich hin. Oder sie lassen verkünden, dass doch beide Kulturen nach der Fusion bzw. Umstrukturierung problemlos nebeneinander bestehen könnten. Was für ein Unsinn! Genauso gut könnte man deutschen Autofahrern erlauben, sich auf niederländischen Autobahnen nicht an das dort geltende Tempolimit von hundertzwanzig Stundenkilometern zu halten. Oder wir könnten im Englandurlaub einfach rechts fahren. Das Nebeneinander zweier Unternehmenskulturen in einer Firma führt nämlich zwangsläufig zu Kommunikations- und sozialen Problemen.
Entsprechende Experimente scheiterten stets am Unverständnis der Mitarbeiter. Mit der Zeit gewinnt immer eines der beiden Unternehmen die Oberhand. Oft scheiden dann die Mitglieder der untergehenden zweiten Unternehmenskultur aus.
• Ein Blick auf die Affen gibt uns Recht: Menschenaffen sind nun mal Gewohnheitstiere.
Eine Veränderung der Firmenkultur gleicht der Veränderung einer Identität. Damit wird jedes Mal ein Lernprozess in Gang gesetzt. Das ist ganz bestimmt nicht leicht und braucht viel Zeit. Eine Patentlösung für dieses Problem wird es wohl nicht geben. Gemeinsame Survivaltrainings am Wochenende heben die »kulturellen« Unterschiede jedenfalls nicht mit einem Schlag auf.
Neue Regeln für euch alle
Manchmal will die Firmenleitung die »Kultur« des Unternehmens auch bewusst verändern, um dessen Außenwirkung zu verbessern, die Produktion zu steigern oder für mehr Kundenorientierung zu sorgen. Der amerikanische Soziologe Erving Goffman beschreibt in seinem Buch »Asyle« ein Extrembeispiel: Er berichtet, wie Individuen in unterschiedlichen Gemeinschaften völlig ihrer eigenen Werte und Normen beraubt werden. Man gliedert sie in ein System ein, dessen Regeln samt und sonders von anderen aufgestellt werden. Dem geht ein Prozess voraus, der »Mortifikation« genannt wird: Das Individuum wird vollständig aus seiner eigenen Identität herausgelöst. Alles, was an sie erinnern könnte, wird ihm genommen. In den von Goffman untersuchten Institutionen wie Klöstern, Gefängnissen und Militäreinheiten hat man das für notwendig erachtet, um den Betroffenen neue Regeln zu vermitteln.
• Sie wollen die Firmenkultur modernisieren? Planen Sie gut, sonst kann es für alle stressig werden.
Wenn in einem Unternehmen neue Regeln gelten sollen, setzt dort ein ähnlicher Prozess ein. Das würde die Firmenleitung natürlich niemals zugeben. Trotzdem: Eine andere Büroeinrichtung beispielsweise oder der Umzug in andere Räume oder gar in ein anderes Gebäude lassen die Erinnerungen an die alte Firmenkultur rasch verblassen. So wird es für das Management leichter, eine neue Firmenidentität einzuführen. Regeln, die alte Gewohnheiten von heute auf morgen verbieten, machen schließlich kurzen Prozess mit deren Überresten. Die symbolische Kindstötung, auf die ich später zu sprechen komme, ist ein Extrembeispiel dafür.
Doch die Nachteile dieses Vorgehens liegen auf der Hand: Zwingt man Menschen dazu, bestehende Regeln, Normen, Gewohnheiten und angelerntes Verhalten aufzugeben, reagieren viele mit Flucht oder Angriff. Solche Prozesse verursachen starken Stress und können letztlich zu einem erhöhten Krankenstand führen.
Eine ähnliche Situation finden wir (wieder mal) im Zoo: Hier sind die Affen mehr oder weniger gezwungen, nach fremden Regeln zu leben, nämlich nach denen des Zoos. Die Tierpfleger sind es, die ihren Rhythmus (Schlafen, Wachen) und ihre Fresszeiten bestimmen. Sie
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