Hilflos in deinen Armen
Eimern?“
Bayard wies mit dem Kopf auf den hinteren Teil des Übungsgeländes. Dort stand ein muskelbepackter Bursche mit blonden Haaren, die Beine auf Schulterbreite gegrätscht, die Arme nach vorn gestreckt, einen vollen Eimer in jeder Hand. Selbst aus der Entfernung konnte Gillian sehen, wie seine Arme vor Anstrengung zitterten. Sein Gesicht war so rot, als wäre er meilenweit durch die Mittagshitze marschiert.
„Kannst sie jetzt absetzen, Elmer!“, rief Bayard dem Blonden zu. „In Zukunft trittst du ein bisschen kürzer beim Saufen, was?“
„Jawohl, Mylord!“, ächzte der Angesprochene, machte einen Satz nach vorn und hätte die Kübel dabei beinah fallen gelassen. Zwar schwappte das Wasser über den Rand, aber sie kippten nicht um. Elmer rieb sich die Arme und trat zum Essenfassen weg.
„Der hat sich gestern Abend einen hinter die Binde gekippt und trat heute Morgen nicht zum Dienst an“, erklärte Bayard und biss genüsslich in seinen Brotkanten. „Das macht der bestimmt nicht noch einmal. Wenn man auf diese Weise zwei volle Eimer halten muss, kommt einem die kürzeste Zeit wie eine Ewigkeit vor.“
„Das klingt ja so, als wüsstet Ihr ziemlich gut Bescheid.“
„Ich habe das mehrmals am eigenen Leibe erfahren. Schlimmeres sogar“, erwiderte er gelassen und wischte sich die Brotkrümel ab. „Raymond de Boisbaston wollte seine Söhne zu den besten und härtesten Rittern in ganz England erziehen. Um das zu erreichen, vertraute er voll und ganz auf Zucht und Ordnung. Er war ein glühender Verfechter von Drill und Disziplin.“
„Na, zumindest wart Ihr ihm nicht egal“, entfuhr es ihr, obwohl sie ihre Unvorsichtigkeit gleich bereute. Ihr Vater hatte sie meistens wie Luft behandelt, aber das brauchte Bayard nicht zu wissen.
„Ja, um Simon, seinen Ältesten, und um mich hat Lord Raymond sich immer gekümmert“, fuhr Bayard fort. „Armand hingegen hat er nur zur Kenntnis genommen, wenn’s etwas zu kritisieren oder zu strafen gab.“
Das war wohl wieder so eine Andeutung, warum er seinen Bruder so bedingungslos unterstützte. „Sehr bedauerlich.“
„Mein Vater hat uns abgehärtet und widerstandsfähig gemacht. Darauf kam es ihm an. So habe ich gelernt, dass das Halten eines Eimers voll Wasser zwar schmerzhaft ist, aber nicht ernsthaft der Gesundheit schadet.“
„Der Hauptmann hätte den Trunkenbold in den Schandstock gesteckt“, bemerkte Gillian.
„Zu demütigend“, entgegnete Bayard prompt. „Das würde ich höchstens bei einem ernsten Vergehen machen, etwa bei Diebstahl. Raubt man einem für eine Nichtigkeit die Würde, verliert man seine Achtung. Und die seiner Kameraden womöglich gleich mit.“
„Für meinen Schotten wäre Fernbleiben vom Dienst beileibe keine Nichtigkeit“, wandte sie ein. „Und den Respekt der Burgwehr genießt er auf alle Fälle. Die gehorcht ihm aufs Wort.“
„Mir auch!“, sagte er und machte auf dem Absatz kehrt. „Pause einstellen, Männer!“, rief er über den Platz. „In Linie angetreten!“ Obwohl er nicht einmal brüllen musste, trug seine tiefe, weithin hallende Stimme bis zum Brunnen hinüber. Im Nu legten die Soldaten die Verpflegung hin, schnappten sich ihre Übungsschwerter, sprangen auf und nahmen in Viererreihe Aufstellung – schnurgerade ausgerichtet, Arme mit Waffe seitlich am Körper, Augen geradeaus, ebenso geordnet wie sonst unter dem Kommando ihres Hauptmanns.
Sie konnte nichts anderes sagen. „Sehr beeindruckend.“
Er zuckte die Schultern und ließ die Männer wieder zur Essenspause wegtreten.
„Sie liegen Euch ehrlich am Herzen, nicht wahr?“, fragte sie, denn sie begriff, dass es stimmte.
„Wie Eure Leute Euch am Herzen liegen“, erwiderte er. „Ihr sitzt ja auch nicht am Ehrentisch und erteilt Eure Befehle oder lasst sie von Eurem Vogt erteilen. Ihr gebt sie Eurem Gesinde persönlich, und manchmal legt Ihr auch mit Hand an, so wie heute bei den Brotkörben. Und neulich, als die Bienen schwärmten, da hätte ich schwören können, dass Ihr gestochen werdet.“
Sie wurde rot wie ein albernes, verliebtes Mädchen. „Wenn sie schwärmen, sind sie so voll Honig, dass sie gar nicht mehr stechen können. Das müsstet Ihr doch eigentlich wissen.“
„Weiß ich ja auch. Aber ich habe mir trotzdem Sorgen um Euch gemacht.“
Das war durchaus ernst gemeint, weswegen sie sich noch törichter und mädchenhafter vorkam – und noch verstörter.
Sie sah keinen Grund, weiter hier zu verweilen und sich wie ein kleines,
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