Hilflos in deinen Armen
dummes Gör zu fühlen. Sie war schließlich die Burgherrin, und zu dieser Jahreszeit gab es reichlich zu tun.
Sie rief Dena und den anderen Mägden zu, Schluss zu machen und die Körbe aufzunehmen, und verabschiedete sich von Sir Bayard.
„Auf später, Mylady“, murmelte er, während er ihrer schlanken, graziösen Gestalt nachschaute, die da zurück zur Hauptburg ging. In ihre Feste, die sie mit mehr Geschick und Können führte als so mancher ihm bekannte Lord.
Obwohl sie durch und durch Frau war.
Richard d’Artage, früherer Favorit der Königin, ehemaliger Lord am Hofe von König John und in letzter Zeit als Weinhändler Charles de Fenelon auftretend, brachte sein Pferd vor der Zugbrücke von Lord Wimarcs Burg zum Stehen und rief der Wache die Losung zu. Das Fallgatter hob sich, die Torflügel dahinter schwangen auf. In langsamem Trab ritt er in den Vorhof der Festung. Die war zwar nicht sonderlich groß, hingegen nur äußerst schwer einzunehmen, wurde sie doch bemannt von den kampfstärksten und bestausgebildeten Söldnern aus ganz Europa.
Ein dürrer Pferdeknecht mittleren Alters kam aus dem Stall gehastet und nahm das Pferd beim Zügel. Richard ließ sich aus dem Sattel gleiten. „Ist Lord Wimarc im Rittersaal?“, fragte er den etwas begriffsstutzigen Knecht.
Der schüttelte aber nur den Kopf und blickte hinauf zu einem Fenster. Dahinter, so wusste Richard noch von früheren Besuchen, lag das Schlafgemach des Burgherrn. Mit düsterer Miene stapfte Richard über den Burghof. Da er als enger Freund des Lords bekannt war, stellte sich ihm auch niemand in den Weg, selbst dann nicht, als er die Treppe betrat, die zu den herrschaftlichen Privatgemächern führte.
Während er, Richard d’Artage, des Hochverrats angeklagt worden und mit knapper Not entkommen war, hatte Francis de Farnby sein Leben für die Sache gegeben. In letzter Zeit hatte Richard deswegen die Rolle eines einfachen Weinhändlers spielen müssen. Wimarc jedoch ließ es sich in seiner Burg gut gehen, verlustierte sich mit seinen Weibern und schmiedete seine umstürzlerischen Pläne. Wie eine Spinne saß er in einem dichten, aber sehr sicheren Netz, reicher als Krösus und gerissener als der listigste Fuchs.
An der üppig ausgestatteten Kammer angelangt, klopfte Richard gar nicht erst an, sondern stieß die Türe auf und trat ohne viel Federlesen ein.
Eine Frau stieß einen spitzen Schrei aus. Der Mann, der splitternackt über ihr in dem mit Vorhängen umgebenen Bett lag, wälzte sich von dem Frauenzimmer herunter, wobei er gleichzeitig einen Dolch unter einem Kissen hervorzog, bereit, sich nötigenfalls zu verteidigen.
„Ich bin’s nur!“, rief der frühere Weinhändler. „Richard!“
Der grimmige Ausdruck auf Wimarcs Miene löste sich auf. Der Hausherr straffte sich und nahm, obgleich bis auf einen Fingerring im Adamskostüm, seine ihm übliche höfische Haltung an. „Eigentlich ist es ein Gebot der Höflichkeit, dass man vor dem Eintreten anklopft“, monierte er tadelnd, wobei er den Dolch auf den Tisch warf und nach dem scharlachroten Morgenmantel griff, den er zuvor über eine Stuhllehne drapiert hatte.
„Ich komme in wichtiger Angelegenheit.“
„Das will ich auch hoffen“, erwiderte Wimarc, indem er den Mantel über den schlanken, drahtigen Körper zog. Mit einem Blick auf das unter die Laken gekrochene Mädchen, vermutlich eine Sängerin oder Tänzerin, bellte er: „Verzieh dich!“
Hastig krabbelte die junge Frau vom Bett herunter. Wimarc zog den schlichten Silberring vom Finger und warf ihn ihr zu. Mit einem entzückten Ausruf fing sie das Schmuckstück auf und raffte ihre kunterbunt durcheinanderliegenden Kleidungsstücke zusammen. Dann huschte sie, flink und behände wie ein Reh, zur Tür hinaus.
Richard verspürte einen neidischen Stich, doch nur ganz kurz. Er hatte Wichtigeres zu bedenken als fleischliche Gelüste.
„Es geht um Lady Gillian“,begann er, derweil Wimarc sich erst das Haar, dann den Mantel glättete und sich in einem anscheinend sehr alten, fein ziselierten Sessel niederließ.
„Ist sie tot?“, fragte er und lud den Gast mit einer Handbewegung ein, ebenfalls Platz zu nehmen, wenn auch auf einem nicht so kostbar gedrechselten Möbelstück.
„Noch nicht. Ich hatte mir eigentlich ausgerechnet, ich käme bei der Gerichtsversammlung zum Zuge. Aber es gab Komplikationen.“
„Was denn für Komplikationen?“
„Armand hat seinen Halbbruder mit einer Warnung hingeschickt. Offenbar hat der
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