Hilflos in deinen Armen
Mutter.
Ach, hätte Adelaide ihn jetzt an seinem Platz hinter der Herrentafel sehen können! Einstweilen konnte man nur hoffen, dass die ganzen Scherereien um die Verschwörung bald vorbei sein würden und Adelaide einmal nach Hause kommen durfte.
Mit ihrem Gemahl.
Schwungvoll betrat nun Dunstan den Burgsaal. Ein Blick genügte, und schon wusste Gillian, dass er schlechte Laune hatte. Mittlerweile lief er schon seit dem Eintreffen von Sir Bayard so verdrießlich herum, und allmählich reichte es Gillian mit seinem beleidigten Getue. Es gab nicht den geringsten Grund, ständig pikiert zu tun. Sir Bayard kam nur seinen Pflichten als Befehlshaber der Burgwehr nach. Das war alles.
Sie wandte sich wieder ihren Knechten zu. „So, jetzt ein Stückchen nach rechts. Gut so. Ausgezeichnet.“ Endlich hing der Wandbehang gerade. „Nun könnt ihr zurück an eure Arbeit.“
Die Knechte sammelten ihr Werkzeug ein und verzogen sich aus dem Saal. Zurück blieben nur Gillian, ihr Kastellan sowie einige Mägde, die gerade das Mobiliar mit einem Gemisch aus Sand, Wasser und Wachs polierten.
„Mylady!“, begann Dunstan aufgebracht. „Habt Ihr schon gehört, was Sir Bayard sich heute für Eure Soldaten ausgedacht hat?“
Gillian schickte ein stummes Stoßgebet zum Himmel und flehte um Langmut und göttliche Führung. „Nein“, sagte sie, indem sie sich ihrem wütenden Burgvogt zuwandte.
Bayard pflegte sie nicht über seine Vorhaben in Kenntnis zu setzen, und sie fragte auch nie. Wenn es eben ging, vermied sie jedes Gespräch mit ihm. In seiner Gegenwart war ihr … unbehaglich zumute.
„Anscheinend hat er eine Art Wettstreit angeordnet. Zwischen den Bauern und der Burgwehr. Ein Wettmähen! Und er führt die Soldaten an.“
Es tat ihr leid, dass Dunstan auf einen offensichtlichen Scherz hereingefallen war. Eigentlich hätte er von selbst darauf kommen müssen, dass das Ganze ein Unding war. „Da seid Ihr einem Schabernack aufgesessen, Dunstan. Kein Ritter würde je Bauernarbeit verrichten.“
„Stimmt, ein echter nicht!“, bekräftigte Dunstan mit grimmiger Genugtuung. „Ich habe Euch ja berichtet, was man sich über Sir Bayard erzählt. Nun gibt’s aber auch Gerüchte, wonach er überhaupt nicht der Sohn von Raymond de Boisbaston ist!“
Gillian musterte ihn argwöhnisch. „Und wessen Sohn soll er dann sein?“
„Es heißt, seine Mutter habe ihr leibliches Kind bei der Geburt verloren und daraufhin einer Bande fahrenden Volkes einen Säugling abgekauft. Aus diesem Grund wird Bayard ja auch der ‚Zigeuner-Galan‘ genannt.“
Sie sah ihn düster an, verärgert darüber, dass er ihrem Gast immer noch so feindselig gegenüberstand. Bayard hatte sich als Stütze und als Ehrenmann erwiesen – meilenweit entfernt von dem liederlichen Halunken, als den der Weinhändler ihn hingestellt hatte. „Egal, was für Gerüchte und Klatsch über ihn im Umlauf sein mögen – ich halte ihn für einen ehrenhaften Ritter. Und wenn er mähen will, dann …“ Sie unterbrach sich und schüttelte den Kopf. „Nein, das kann nicht stimmen. Da hat sich jemand einen Scherz erlaubt und Euch einen Bären aufgebunden.“
In Dunstans Augen erschien ein trotziger Ausdruck, den sie gut kannte. Normalerweise gab er schnell klein bei, aber heute war es anscheinend anders. „Ich bin ihm auf dem Weg vom Dorf begegnet, und da trug er eine Sense. Etliche von den Männern desgleichen, darunter auch dieser Riesenochse, der Robb heißt.“
Der Burgvogt verzichtete auf den Hinweis, der blasierte Bayard – der Gillian immer verstohlen bei Tisch beobachtete, der ihr ein Lächeln entlockte, wenn er über die Burgwehr und ihre Übungen sprach, und der sowieso viel zu anziehend wirkte – habe ihn frech angegrinst und ihm im Vorbeischlendern einen guten Tag gewünscht. Auch dass ein ganzer Schwarm junger Mädchen hinterdrein folgte, offenbar alles Verehrerinnen des schmucken Edelmannes, darunter auch diese Dena, behielt der Verwalter lieber für sich. Die rothaarige Hure hätte man nach Aufdeckung ihres Lotterlebens sowieso gleich im hohen Bogen aus der Burg werfen müssen. Was gab die für ein Beispiel eines hochherrschaftlichen Haushalts ab? Zuweilen ging Lady Gillian erheblich zu nachsichtig mit dem Gesinde um.
Die Magd Seltha hielt beim Einwachsen eines Stuhls inne, den man beim Aufhängen des Gobelins beiseitegeschoben hatte. „Es stimmt, Mylady“, warf sie ein. „Die Männer sprachen schon heute Morgen beim Frühstück davon. Sir Bayard
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