Hilflos in deinen Armen
herstellen. Lady Gillian läuft auch zuweilen in schlichter Kleidung herum und packt bei Arbeiten mit an, die sie eigentlich gar nicht nötig hätte. Trotzdem wird sie geachtet und geradezu verehrt. Schon gemerkt?“
„Wie denn – soll ich etwa mähen?“
„Du sollst meine Befehle ausführen. Punktum. Im Übrigen: Gemäht ist schon. Falls ich dir aber auftrage, einen Karren abzuladen oder beim Aufladen der Garben zu helfen, erwarte ich, dass du meinen Anweisungen unverzüglich Folge leistest. Und zwar ohne Genörgel und Widerworte! Ist das klar?“
„Jawohl, Mylord!“, brummte der Junge.
„Und jetzt zieh ab und hol dir etwas zu essen!“
Frederic trollte sich. Sein Herr sah ihm kopfschüttelnd nach. Noch hatte er die Hoffnung zwar nicht aufgegeben, aber der Bengel erwies sich als nicht so leicht zu begeistern, wie er’s gedacht hatte.
Bayard hörte Gillian lachen und entdeckte sie mitten zwischen den Frauen. Sie hielt einen Säugling auf den Armen und kitzelte das kleine Würmchen unter dem Kinn. Wie sehr sie hierhergehörte! An diesen Ort, zu diesen Menschen!
Und er? Wo war sein Platz? An der Seite des Königs, den er verachtete? Auf dem Besitz, der einmal die Mitgift seiner Mutter gewesen und ihm von ihr auf dem Sterbelager vermacht worden war? Damit das Anwesen bloß nicht an seinen Vater oder an Armand fiel?
War er überhaupt der leibliche Sohn seines Vaters? Oder stimmten die Gerüchte von einem Wechselbalg?
Er würde es nie erfahren.
Eins wusste er allerdings: Er war auf Armands Bitte hin hergekommen. Also gedachte er auch zu bleiben, selbst wenn dies zur Folge hatte, dass er sich einem Verlangen widersetzen musste, das besser nie erblüht wäre. Einem Verlangen nach einer Frau, die sich zwar wie eine Bäuerin kleidete, die aber herrschte wie eine großmütige Königin.
12. KAPITEL
Am selben Abend tanzten die Männer und Frauen des Dorfes im Schein des Erntefeuers, das mitten auf dem Dorfanger loderte. Platten und Böcke hatte man vor die Schmiede geschleppt und dort aufgebaut. Die Tische bogen sich unter der Last von Brot, Rostbraten, Hammelragout, Süßspeisen und Honigkuchen aus der Burgküche. Dazu floss Ale in Strömen.
So drehten sich die Tänzer im lustigen Reigen, während die Kinder ausgelassen herumtollten und im Gewimmel aus Schmausenden, Trinkenden, Schwatzenden und Lachenden Verstecken spielten. Der kleine Teddy und einige seiner Freunde ruhten, ermattet vom Herumtoben und von der Aufregung des Tages, schlummernd auf Decken neben den Müttern, die mit ihren Kleinsten auf dem Schoß abseits des Getümmels lagerten. Old Davy saß bei den Älteren und gab Anekdoten von früheren Erntefesten zum Besten. Seitlich im Dunklen raunten und schmusten die Liebespaare, von denen sich einige mit der Zeit klammheimlich verdrückten.
Der Schmied tanzte mit ganz besonderer Hingabe und wirbelte Peg, die Schankmagd, so schwungvoll im Kreise herum, dass es ein Wunder war, wenn sie nicht mit den anderen Tänzern zusammenprallte. Der Müller und seine Frau guckten argwöhnisch zu. Es schien, als hätten Geoffrey und die stocksteif dasitzende Bertha sich nach erneutem Zank wieder vertragen, zweifellos angeregt durch die Aussicht auf Freibier und kostenlosen Schmaus.
Normalerweise hätte auch Gillian das Tanzbein geschwungen, denn an sich tanzte sie gern, doch an diesem Abend nicht. Da sah sie lieber still und zufrieden zu. Zugleich hoffte sie, auf diese Weise ihrem Verwalter aus dem Wege gehen zu können. Der hatte nämlich zu tief in den Weinkrug geschaut.
Sie ließ den Blick in die Runde schweifen, und siehe da! Der Weinhändler! Aus London zurück? Eventuell war es ein Fehler gewesen, Charles de Fenelon zur Rückkehr nach Averette aufzufordern. Andererseits: Falls Dunstan sich unbedingt betrinken wollte, ging das auch ohne de Fenelons Rebensaft. Wein gab es ja nun mehr als genug im Weinkeller, zu dem Dunstan so wie sie den Schlüssel besaß.
Sir Bayard saß inmitten der Burgwehrmänner und hielt ihnen Vorträge über Gefechte und Turniere, Taktik und Waffentechnik. Wie gebannt an seinen Lippen hängend, wachten sie nur ganz kurz aus ihrer Erstarrung auf, wenn einer mal eine Frage stellte oder einen Schluck Ale nahm. Unweit der Gruppe stand der Knappe, jedoch offenbar herzlich wenig angetan von all dieser Fachsimpelei. Die Arme über der Brust verschränkt, zog er ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter und tat so gelangweilt, als habe er das alles schon doppelt und dreifach gehört.
Das konnte
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