Hill, Susan
Ihnen«, sagte Freya. »Ich bin zum Chor gegangen, damit mir der Fall nicht ständig im Kopf herumging. Das Singen und die Zeit hier haben mir genau das gegeben, was ich brauchte.«
»Ruhe und Entspannung. Es ist wichtig, sich so weit wie möglich von dieser Art Fall zu entfernen … wenn nicht körperlich, dann spirituell, geistig. Sonst brennt man aus.«
Erst jetzt stand er auf und ging mit ihr zur Tür. »Ich bringe Sie nach unten«, sagte er.
»Nein, das geht schon.«
»Es ist spät, es ist dunkel, niemand ist um diese Zeit noch unterwegs, und Sie sind allein.«
Sie lachte. »Ich bin Polizistin, Simon.«
Er öffnete die Tür und sah Freya an, sein prägnantes Gesicht ernst. »Und zwei Frauen werden vermisst.«
Sie erwiderte seinen Blick. »Ja«, meinte sie leise.
»Ich wünschte, ich müsste nicht auf diese Weise an sie denken«, sagte Simon und legte ihr die Hand auf den Rücken, um sie die Treppe hinabzuführen. Die Berührung brannte sich in sie ein.
Bei ihrem Auto hielt er ihr die Fahrertür auf. Für einen Sekundenbruchteil zögerte sie. Er bewegte sich nicht.
»Noch mal vielen Dank.«
»Gern geschehen. Gute Nacht, Freya.«
Er hob die Hand und sah ihr nach, bis sie aus dem Hof und unter dem Torbogen hindurchgefahren war.
26
M r Victor Freeborn verschwand irgendwann nach vier Uhr nachmittags aus dem Pflegeheim Four Ways. Niemand hatte ihn gesehen oder herabkommen und aus der Eingangstür gehen hören, die Mrs Murdo, die Sekretärin, unverriegelt vorfand, als sie um fünf vor fünf zum Briefkasten hinausschlüpfte.
Erst zwanzig nach sechs brachte ein Streifenwagen Mr Freeborn zurück, nachdem er auf einer Bank am Fluss gefunden worden war, nur in Pyjama und Pantoffeln.
Das war schon früher passiert, aber wegen Angela Randalls Verschwinden war Carol Ashton aufgeregter als sonst, und es dauerte lange, bis das ganze Haus wieder zur Ruhe kam. Inzwischen hatte der Schlosser ein neues und komplizierteres Schloss angebracht, und es hatte ein Treffen mit allen Angestellten gegeben, um zu besprechen, was man sonst noch gegen das »Houdini-Problem«, wie es die Haushälterin Pam Thornhill nannte, unternehmen konnte.
Daher war es bereits nach acht, als Carol endlich nach Hause kam, das Echo aufschlug und es bei einem dringend nötigen Schluck Gin las.
Das Verschwinden von Debbie Parker war der Aufmacher der Titelseite. Ihr Foto, ein dickes, kicherndes Mädchen auf einer Eisbahn, war ins Dramatische vergrößert worden. Carol las den Bericht rasch durch, suchte nach einer Erwähnung von Angela Randall. Es gab keine. Und doch schienen die beiden Fälle viele Gemeinsamkeiten zu haben.
Aber wenn die Verbindung so offensichtlich war, warum gab es dann keinen Hinweis auf Angela? Was dachte sich die Polizei? War der Fall einfach abgelegt und vergessen worden? Carol erinnerte sich an die junge, hübsche, effizient wirkende Polizistin Freya Graffham, die wirklich nicht den Eindruck gemacht hatte, die Notizen über ihre Gespräche in einer Schublade verschwinden zu lassen. Carol war verärgert. Noch jemand wurde vermisst, genau wie Angela, und Carol meinte, es ihrer Kollegin schuldig zu sein, die Polizei an deren Namen zu erinnern; sie war auch wütend, dass sie etwas Wichtiges gemeldet hatte und beiseite gedrängt worden war.
Sie trank ihren Gin Tonic aus, goss sich noch einen Schluck ein, verschraubte die Flasche und griff zum Telefon.
»Tut mir Leid, DS Graffham ist nicht im Haus«, antwortete die Stimme. »Kann Ihnen sonst jemand weiterhelfen?«
Carol zögerte. Sie wollte die ganze Geschichte nicht noch einmal jemandem erzählen, der nichts davon wusste.
»Können Sie mir sagen, wann ich sie erreichen kann?«
»Sie könnten es morgen früh wieder versuchen.«
»Kann ich eine Nachricht hinterlassen?«
Sie nannte ihren Namen und ihre Telefonnummer und bat dringend um Rückruf der Polizistin.
Aber sie wird nicht zurückrufen, dachte Carol, als sie in die Küche ging, um sich etwas zu essen zu machen. Ihrer Erfahrung nach riefen Leute, wie charmant und wohlmeinend sie auch waren, nur selten zurück. Sie schlug zwei Eier für ein Omelett auf, doch als sie Zutaten für einen Salat aus dem Kühlschrank geholt hatte, fühlte sie sich zu ruhelos, um bis zum nächsten Tag zu warten. Sie verließ die Küche und griff wieder nach dem Telefon.
»Zeitungsverlage für Bevham und Umgebung, was kann ich für Sie tun?«
Ein paar Minuten später sprach sie mit jemandem namens Rachel Carr. Vierzig Minuten später
Weitere Kostenlose Bücher