Hill, Susan
wirklich sah, der Erste, der nichts ableiten musste, sondern es tatsächlich gewusst hätte.
Aber er hatte nicht einschätzen können, wie viele Personen von ihrem Termin bei ihm wussten, er hatte keine sorgfältigen Überprüfungen vorgenommen und nicht vorausgeplant. Eine impulsive Handlung war genug. Er hatte nie mit dem Risiko gespielt und würde das auch in Zukunft nicht tun. Das führte nur zu Gefahr, Wahnsinn und zur sicheren Aufdeckung. Risiken gingen nur die Dummen ein.
Karin McCafferty war in Panik geraten und hatte schlecht auf die Behandlung reagiert. So etwas kam gelegentlich vor. Er hatte sie in halb bewusstlosem Zustand nach Hause gefahren, die Schlüssel aus ihrer Tasche genommen, ihr nach oben geholfen und in ihr Bett, war dann noch eine Viertelstunde bei ihr geblieben, um zu sehen, ob man sie gefahrlos allein lassen konnte. Das war ein weiteres Risiko gewesen, das er auf sich genommen hatte, weil er nicht zu spät zu seiner Verabredung mit Freya Graffham kommen wollte.
Als er dann an die Polizistin im Embassy Room dachte, schick zwischen all den schicken Menschen, musste er lächeln. Sie fand ihn interessant, das merkte er, war fasziniert von ihm. Sonst hätte sie sich nicht mit ihm getroffen. Es war der richtige Schritt gewesen, der intelligente Schritt, mit dem er in seinen Augen den Fehler wieder gutgemacht hatte. Weitere Fehler würde es nicht geben.
Er fuhr die Zufahrtsstraße entlang und bog in das Gewerbegebiet. Der erste Verbindungsweg war leer, aber als er den zweiten erreichte, der zu dem Seitenweg führte, an dem sein Gebäude lag, sah er vier Polizeiwagen und drei Zivilfahrzeuge, dazu einen weißen Mannschaftswagen, dessen rückwärtige Türen offen standen. Hundeführer stiegen mit ihren Hunden aus und sammelten sich auf dem Pfad.
Er bog scharf nach links auf den südlichen Verbindungsweg. Als er die Ausfahrt zur Hauptstraße erreichte, kamen zwei weitere Polizeiwagen in hohem Tempo hereingeschlittert.
Die Tatsache, dass es sich hier eindeutig um einen Art Razzia handelte, hätte ihn nicht beunruhigen müssen. Die Polizei würde sich kaum für sein Gebäude interessieren, dennoch musste er herausfinden, was hier wirklich vorging und wo, und im Moment hatte er keine Ahnung, wie er das bewerkstelligen sollte. Er hielt in einer Parkbucht und dachte gründlich nach, gestattete sich nicht, in Panik zu geraten, zügelte seine Gefühle, als wollte er ihnen einen Maulkorb anlegen.
Er konnte in das Gewerbegebiet zurückkehren und einfach einen Polizisten fragen. Er konnte im Revier anrufen. Doch er bezweifelte, dass man ihm Auskunft geben würde. Er konnte Freya Graffham anrufen, aber das würde zu unvermeidlichen Fragen führen.
Er konnte nichts tun. Im Zweifelsfall am besten gar nichts tun, diese Regel hatte er oft befolgt, und es war ihm gut zustatten gekommen. Die waren nicht an ihm oder seinem Gebäude interessiert. Wie sollten sie auch? Woher sollten sie etwas darüber wissen? Er ließ den Motor an und bog auf die Hauptstraße.
Zu Hause machte er sich Toast und schnitt einen Apfel in ein Schälchen Vollkornmüsli, füllte Wasser in die Kaffeemaschine und holte die Zeitung herein. Er fühlte sich ziemlich ausgeglichen, war bereit für einen Tag voller Termine und für den kommenden Abend.
Aber während der nächsten paar Stunden schweiften seine Gedanken immer wieder ab, ohne dass er es verhindern konnte, Bilder schossen ihm durch den Kopf, von Karin McCafferty auf der Behandlungsliege, wo jetzt ein anderer Patient lag, von den Hunden und ihren Hundeführern, die aus dem Mannschaftswagen stiegen, hundert Meter entfernt von dem Gebäude, in dem er seine Arbeit verrichtete.
47
U m ein Uhr war das Dezernatsbüro halb leer. Um zehn nach sprangen die Türen auf, und ein halbes Dutzend Beamte platzten herein, unter ihnen DC Coates, mit Mordgelüsten in den Augen.
»Ehrlich, Sarge, ich glaub, ich bewerb mich als Hundeführer.« Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen, hängte ein Bein über die Armlehne. »Coole Sache, konnten den ganzen Morgen fröhlich im Gewerbegebiet rumschnüffeln, und was haben wir gemacht?«
»Im Auto bei der Meadow-Field-Siedlung rumgesessen.«
»Genau. Jetzt ist alles wieder abgeblasen.«
»Haben die im Gewerbegebiet jemanden geschnappt?«
»Keine Ahnung. Jemand sagte Ja, ein anderer war sich nicht sicher, das Übliche. Aus denen kriegt man nicht viel raus.«
»Ich kann Sie mir nicht am anderen Ende einer Hundeleine vorstellen.«
»Nee, das sind alles
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