Hill, Susan
Nacht bleiben.«
»Ich glaube nicht, dass ich fahren kann.«
»Nein, besser nicht. Akupunktur kann einen ganz schön fertig machen … Das ist übrigens normal, mach dir also keine Sorgen, wenn du dich müde und benommen fühlst.«
Karin schaute sich in ihrem Schlafzimmer um. Sie wollte nicht alleine hier bleiben, nicht heute Abend, nicht über Nacht.
»Ich könnte ein Taxi nehmen. Wenn es dir nichts ausmacht …«
»Ich würde Chris bitten, dich abzuholen, nur weiß ich nicht, wann er zurückkommt, er ist im Kreiskrankenhaus.«
»Wenn es dir wirklich nichts ausmacht, es gibt ein Taxi hier im Dorf.«
»Komm, wann immer du willst. Ich muss Schluss machen, die Zwiebeln brennen an.«
Um neun setzte das Taxi Karin an der Tür der Deerborns ab. Sie hatte ihre Sachen in eine Reisetasche geworfen, das Haus abgeschlossen und war geflohen. Cat bettete sie aufs Sofa, die Beine hoch, und maß ihren Blutdruck.
»Der ist ganz in Ordnung … ein bisschen niedrig, aber das kommt von der Behandlung. Ich verschreibe Pfefferminztee – Alkohol solltest du heute Abend besser lassen.«
»Pfefferminztee ist dein Allheilmittel.«
»Ist ja auch gut, das Zeug.«
»Bin ich hysterisch?«
»Nein, und ich mache mir Sorgen. Es sieht dir nicht ähnlich … Du bist zu unserem Freund, dem Psychochirurgen, gegangen, und es hat dir nichts ausgemacht.«
»Wie gut kennst du ihn?«
»Aidan? Nicht sehr gut. Ich schicke manchmal Patienten zu ihm. Er behandelt meine Arthritispatienten und ist zum Essen hier gewesen, und wir haben diese informelle Gruppe, an der er teilnimmt … und ziemlich vernünftiges Zeug sagt. Aber eigentlich ist es eher eine berufliche Bekanntschaft.«
»Ist er dir unheimlich?«
Cat warf ihr einen scharfen Blick zu. »Nicht besonders. Zugeknöpft. Ich nehme an, dass er einiges verdrängt; er ist nicht verheiratet – ist überhaupt nichts, soweit ich weiß, und er lässt nicht viel raus. Was meinst du mit unheimlich?«
Karin zuckte die Schultern. »Vergiss es. Achte nicht darauf. Ich bin nur völlig überdreht.«
»Mag sein. Das war vermutlich eine leichte Panikattacke, und wenn man da mitten drin ist, verliert man jeden Sinn für Realität und Verhältnismäßigkeit. Das ist einer der unangenehmsten Aspekte daran. Normale Dinge wirken furchterregend, ganz gewöhnliche Menschen erscheinen einem als unheimlich und bedrohlich.«
»Bei dir klingt das so, als sei das ganz alltäglich.«
»Ist es auch. Was es trotzdem nicht besser macht. Ich kann dir für ein paar Tage ein mildes Beruhigungsmittel verschreiben. Nimm es abends, aber fahr dann nicht mehr Auto. Es haut dich nicht um, macht dir die Dinge nur leichter. Das ist eine Phase, die du durchmachst. Dir ist es noch nie so gegangen wie jetzt. Alles hat miteinander zu tun.«
Karin trank ihren Tee, hörte Cats kühler, beruhigender Ärztinnenstimme zu, und, ja, sie glaubte ihr, ja, sie hatte sich aufgeregt, ja, alles war aus dem Ruder gelaufen, als sie sich damit auseinander gesetzt hatte, was ihrem Körper fehlte, vielleicht zum ersten Mal. Sie fühlte sich viel besser, seit sie hier war, hatte sich mehr im Griff, war ruhiger.
Aber die Wut über das, was passiert war, war immer noch da. Das und das Gefühl von Unbehagen, wenn sie an Aidan Sharpe dachte.
»Was soll ich tun?«
Cat schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich rufe Aidan morgen an. Du bist meine Patientin, und das hätte nicht passieren dürfen. Bestimmt hat er sich davon überzeugt, dass mit dir alles in Ordnung war, bevor er ging, aber Fakt ist, dass du dich an nichts erinnern kannst, was bedeutet, du hättest in Gefahr sein können. Er hätte mich anrufen müssen.«
»Danke. Du glaubst nicht, dass ich …«
Cat stand auf. »Ich glaube, du solltest ein Bad nehmen – in meinem Badezimmer, das ziemlich zivilisiert ist, die Kinder haben keinen Zutritt. Du kannst einen Schuss von dem himmlisch riechenden Jo-Malone-Zeug ins Badewasser tun, das Mum mir zum Geburtstag geschenkt hat. Dann packe ich dich im Gästezimmer mit einem netten Buch, einer Wärmflasche und einer Tablette ins Bett.«
Die Kombination von alldem plus der Tatsache, hier in diesem Haus zu sein, das ihr immer von allen Häusern, die sie kannte, als das glücklichste erschienen war, hatte Karin in einen rosaroten und traumlosen Schlaf versetzt, der bis nach acht Uhr am nächsten Morgen anhielt. Welches Unbehagen sie auch wegen ihres Besuchs bei Aidan Sharpe empfunden hatte, es war verflogen, sodass sie sich jetzt ziemlich töricht
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