Hill, Susan
nicht dazu gekommen.«
»Das hab ich bemerkt.«
»Ich weiß nicht, wann ich’s geschafft hätte, um ehrlich zu sein, wegen diesem und jenem, und du weißt, wie schüchtern ich bin.«
»Hallo?«
»Ja, bin ich, eigentlich bin ich sehr schüchtern. Sergeant Graffham hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich weiß nicht mehr, wie wir darauf gekommen sind – hatte irgendwas mit den vermissten Frauen zu tun, glaube ich. Sie hat nur gesagt, ich sollte mich dranhalten, hat mich immer wieder angestachelt, mir gesagt, wie gut du zu mir passt … und was für einen guten Ehemann ich abgeben würde und all das. Ehrlich, du schuldest ihr was, Em.«
»Ich werde daran denken, mich bei ihr zu bedanken.«
»Das kannst du jetzt tun, wir gehen zu ihr. Wir werden vor ihrem Haus tanzen und die Flasche Sekt mitnehmen. Komm.«
»Nathan, sei doch nicht verrückt. Du kannst nicht einfach bei deinem Sergeant reinplatzen und sie aufwecken.«
»Ach, die ist bestimmt noch nicht im Bett, geht nie vor zwei Uhr schlafen, hat sie mir erzählt, und außerdem hat sie heute Abend in einem Konzert in der Kathedrale gesungen, also ist ihr definitiv nach einem Drink.«
»Sie wird eher völlig erledigt sein.«
»Nee … nun komm schon, ich schieb dein Fahrrad an.«
»Ich brauch kein Anschieben. Bist du dir wirklich sicher, Nathan? Ich weiß nicht …«
Aber Nathan hatte schon nach ihrer Hand gegriffen und nach der Flasche Sekt und schob Em aus der Tür.
Die Straßen waren leer und friedvoll. Ihre Fahrräder machten seidig schwirrende Geräusche auf dem Asphalt.
»Das ist wie in der Kinderzeit, wenn man irgendwas Verrücktes gemacht hat, sich rausgeschlichen hat, wo Mum und Dad dachten, man läge schon im Bett.«
»Du hast mir nie erzählt, dass du so was gemacht hast.«
»Es gibt eine Menge Sachen, die ich dir nicht erzählt habe. Warum sollte ich?«
»Weil ich Polizist bin. Du wirst eine Polizistenfrau. Das bringt Verantwortung mit sich.«
Sie sausten um die Ecken der schmalen Straßen, begegneten niemandem, wichen hier und da einer Katze aus, die über die Straße flitzte, kicherten.
»Ich sag dir was, warum nehmen wir nicht den längeren Weg, auf der Straße am Hügel vorbei?«
»Weswegen?«
»Da ist es richtig gruselig, und ich will dich zu Tode erschrecken.«
»Es braucht mehr als den Hügel in einer dunklen Nacht, um mich zu erschrecken, Nathan Coates.«
»Nicht, wenn ich dir erzähle, was da passiert ist. Nicht, wenn ich dir erzähle …«
»Na gut, dann fang mich doch!«
Emma raste voraus, überraschte ihn damit, und er musste wie wild in die Pedale treten, um sie einzuholen.
Freya schaffte es in die Küche, schloss die Tür auf und rannte den schmalen Gang entlang. Es war ihr also doch gelungen, ihn zu überraschen.
Er holte sie erst ein, als sie die Hand schon am Riegel der Seitentür zur Straße hatte, aber dann spürte sie einen Schmerz im Rücken, als er sie mit der Faust schlug, der ihr den Atem nahm, und einen noch stärkeren, als er sie am Handgelenk von der Tür wegriss. Er hatte nicht besonders stark gewirkt, nicht so stark wie jetzt.
Freya begann zu schreien. Sie schrie, bis er ihr den Arm über den Mund und um den Hals schlang, während er sie gleichzeitig vor sich her stieß, zurück in die Küche, zurück ins Wohnzimmer. Sie stolperte und fiel, prallte mit dem Gesicht auf den Boden.
Erinnere dich, erinnere dich daran, was du tun solltest, lass dich nicht von ihm überraschen, bring ihn zu Fall, roll dich herum und tritt ihn ganz fest, lass …
Ihr Arm wurde fast aus dem Gelenk gerissen, als er sie mit einem Ruck hochzerrte. Sie sah sein Gesicht, totenbleich mit zwei knallroten Flecken auf den Wangen, und seine Augen, die sie mit irrem Blick anstarrten, die glitzernde Spritze hoch erhoben in seiner Hand. Irgendwie hatte sie erwartet, dass er lachen würde, aber das tat er nicht, in seinem Gesicht lag eine verbissene Konzentration. Freya trat nach ihm und hob gleichzeitig das Knie, um es ihm in die Weichteile zu rammen, aber er packte sie wieder am Arm und drehte ihn ihr so fest auf den Rücken, dass sie spürte, wie der Knochen brach. Übelkeit stieg in ihr auf.
Lass nicht, lass ihn nicht, lass nicht …
Ein Sekundenbruchteil so intensiver Schmerzen, dass es sich nicht wie Schmerz anfühlte, sondern wie ein blendendes Licht, das sich in ihren Schädel bohrte.
Lass nicht …
Dann nichts mehr.
Schließlich hielten sie doch nicht auf der Hügelstraße an, verfolgten sich, sausten in der
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