Himbeersommer (German Edition)
Entscheidung getroffen zu haben. Und ich wage es, mich zu freuen, auch wenn Daniel leidet. Tobias` Geruch, der mir so vertraut ist, tut so gut.
Doch dann will Tobias natürlich wissen, wer es war. Ich schlucke schwer und sage dann das, was ich mir zuvor in der Badewanne bei einem dreistündigen Telefonat mit Magda überlegt habe.
„Er ist blond, sehr sportlich, intelligent, kreativ, wie du. Aber viel jünger als ich, du brauchst also überhaupt nicht eifersüchtig zu sein, und ich finde es besser, wenn du nicht genau weißt, wer es ist.“ Ich sehe ihn ängstlich an. „Findest du nicht auch?“
Tobias sieht mich an, in ihm arbeitet es.
„Viel jünger als du, was heißt das?“
„Zwölf Jahre. Ich fand das prima, dann musst du dir wirklich keine Gedanken machen, dass ich mich in ihn verlieben könnte.“ Ich rede sehr schnell und sehe ihn hoffnungsvoll an. Und Magdas Theorie klappt.
Tobias nickt und lächelt.
„Stimmt. Der will ganz sicher nichts von dir.“ Er freut sich.
Ich sehe ihn fassungslos an ob dieser Frechheit, reiße mich aber zusammen und umarme ihn schnell, damit er meine Zornesfalten nicht sieht.
Magda war der Meinung, dass sich ein Mann normalerweise nicht vorstellen kann, mit einer zwölf Jahre älteren Frau zusammen zu sein. Und sie hatte wirklich recht. Das Thema Kindsvater ist erstmal vom Tisch.
Wir kuscheln uns ins Bett und schmieden Pläne. Wie soll er-sie-es heißen, in welchem Krankenhaus will ich entbinden? Eine Intensivstation nebenan muss sein, um meine Panik vor der Geburt etwas zu mindern.
„Nehmen wir die dicke, burschikose Hebamme, die unsere frühere Nachbarin schräg gegenüber hatte, oder die junge, alleinerziehende von Jacky?“ Tobias redet, als hätte er schon fünf Geburten hinter sich. Wir amüsieren uns sehr und sind uns wieder ganz ganz nahe.
Plötzlich gibt es zig offene Fragen und ziemlich wenige Antworten in meinem neuen Leben und dem meiner kleinen Kaulquappe. Ich beschließe, mich sofort mit der Mütter-Mafia in der Siedlung anzufreunden, um die wichtigen Windel-und-Still-Infos zu bekommen, die man als zukünftige Mama braucht. Welcher Schwangerschaftstee aus welchem Kräuterladen lockert am besten die Beckenbodenmuskulatur? Wie lange muss ich Folsäure schlucken, und ist es sehr schlimm, dass ich die nicht vor der Schwangerschaft schon genommen habe? Mir schwirrt der Kopf.
Tobias ruft seinen Chef in China an und bittet ihn, einen Kollegen mit der zusätzlichen Arbeit zu beauftragen.
„Von jetzt an will ich ganz für meine schwangere Frau da sein“, sagt er lächelnd und geht duschen.
Ich lächle trübsinnig ein weißes Stoffschaf an, das mir Magda von Ruby vermacht hat.
Tobias kommt aus der Dusche und strahlt.
„Nora, wir müssen heiraten!“
„Was? Spinnst du? Wir müssen gar nichts!“
„Äh, okay, das war jetzt nicht gerade der Heiratsantrag, der bei „Nur die Liebe zählt“ unter die Top five kommen wird.“ Tobias versucht, der Situation die Schärfe zu nehmen.
„Ich will doch nur nicht, dass mein Kind unehelich geboren wird, verstehst du?“
„Nein, verstehe ich nicht. Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter.“ Ich wundere mich sehr.
„Ich habe noch nie verstanden, wie man schwanger heiraten kann. Eine Party ohne Alkohol kommt ja wohl gar nicht in Frage.“
„Du denkst immer nur an dein Vergnügen.“ Tobias sieht mich vorwurfsvoll an.
„Das stimmt, aber das soll gefälligst auch so bleiben“, antworte ich sauer, denn mich ganz verleugnen will ich mich als Mama nicht, das habe ich mir immer geschworen.
Tobias nimmt mich in den Arm. „Also gut, mit einer Hochzeit warten wir bis nach der Geburt. Ich liebe dich.“
***
Die Saure-Gurken-Zeit geht an mir leider nicht spurlos vorbei. Ich habe es geahnt, denn Fressattacken hatte ich schon seit meiner Kindheit. Meine Mutter musste alle Süßigkeiten immer in einem abschließbaren Schrank verstecken. Ansonsten hätten sie nicht lange überlebt.
Das bei einer Schwangerschaft auftretende Symptom der „rasanten Gewichtszunahme“ ist für eine Frau hochgradig schockierend. Wie um Himmels willen soll sich mein Bauch auf diese ballonartigen Ausmaße vergrößern, ohne wie eine Melone, die auf der Straße aufprallt, zu zerplatzen? Und wie bitte soll das Kind, wenn es nach neun Monaten so riesig ist wie ein kleines Kalb, jemals aus meiner zierlichen Scheide kommen? Der Gedanke versetzt mich in blanke Panik und ich beiße in eine Lauch-Quiche von Magda, um zu verdrängen. Aber es passiert genau das
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