Himbeersommer (German Edition)
Hermès-Tasche vergessen oder ist das etwa Daniel? Während ich überlege, ob ich einfach liegen bleiben soll wie ein Käfer, da mir beide Alternativen keine zu sein scheinen, pocht es an die Tür und ich höre Magdas Stimme. Ein Glück. Ich ächze mich vom Sofa hoch, öffne ihr und falle ihr in die Arme. Sofern eine Umarmung mit diesem riesigen Höckerbauch überhaupt noch möglich ist.
„Was ist denn?“, flüstert sie mir ins Ohr, während ich ihr in die Haare schniefe.
„Daniel. Er war auf der Baustelle, und er kommt ganz bestimmt bald wieder!“
Sie sieht mich an und streichelt beruhigend meinen Bauch.
„Und was hat er gesagt?“
„Was wohl? Dass er nie aufgibt, nie!“
„Aber Nora, das war doch klar. In dir wachsen seine Gene! Er ist ein Mann!“
Magda, führt mich in meine Wohnung und sieht sich verdutzt um.
Sie hebt eine Socke vom Boden auf, legt sie dezent zur Seite.
„Dir geht’s nicht so gut, Honig, stimmt’s?“
„Ich … nein. Ich fühle mich furchtbar. Wie gelähmt, kennst du das?“
Sie nickt. „Oh ja. Und Tobias? Hilft er dir gar nicht im Haushalt?“
„Nein. Er arbeitet gerade so viel. Ach, du denkst jetzt sicher, dass ich depressiv bin, oder so was.“
„Unsinn.“ Sie schiebt ein paar Kleidungsstücke weg, um sich aufs Sofa setzen zu können.
„Gibt es denn auch eine prae natale Depression?“, frage ich ängstlich und setze mich neben sie auf eine leere Folsäurepackung.
„Nein. Glaube ich nicht. Also ich kenne nur die postnatale. Ich tippe mal … aufs Hausfrauensyndrom.“ Magda nimmt lächelnd ein altes Wasserglas und gießt damit meine Yucca-Palme, die kurz vorm Exitus ist.
„Du bist gerade in einem ziemlichen Loch. Weil du deine Baustelle nicht mehr hast, weil du eine komplizierte Männergeschichte zu viel hast und weil das Kinderzimmer dummerweise schon perfekt eingerichtet ist.“ Sie lächelt.
„Perfekt ist bei mir leider gar nichts. Ach doch, meine neueste Krone. Findet zumindest mein Zahnarzt.“
Wir grinsen uns an, und endlich atme ich wieder etwas freier.
„Kenn ich. Das Gelähmtsein, das hatte ich oft. Nach meiner Abiprüfung, nach dem Magister, und nach der Trennung von meinem Mann … Aber ich bin jedes Mal herausgekrochen aus diesem Krater. Und habe mich jedes Mal ein bisschen stärker gefühlt. Es geht, Honig, wenn man nur will.“
Wir reden eine ganze Stunde, und danach fühle ich mich deutlich wohler in meiner stark gespannten Haut.
Diese positive Veränderung merkt Tobias am Abend auch und bezieht sie sofort auf sich.
„Du hast ihn getroffen, stimmt’s?“, fragt er in einem unheilvollen Ton, als hätte ich den Fernseher kurz vor der WM mit Wasser begossen (wie ich es vor zwei Jahren aus Versehen gemacht habe, als ich eine Lilie darauf gießen wollte). Ich schüttle den Kopf.
„Nein. Ja …, aber nicht freiwillig. Er war einfach da, auf der Baustelle.“
„Er wird immer da sein, Nora, immer.“
Tobias steht auf, schnappt seine Joggingschuhe, geht joggen. Es ist spät und dunkel und draußen bläst ein kalter, eisiger Wind.
Vermutlich ist Tobias nur noch aus Mitleid-mit-werdenden-Müttern mit mir zusammen und wird, sobald das Kind da ist, für immer davonlaufen. Ganz weit weg. Egal wie kalt es ist. Wie es mein Vater gemacht hat, bis nach Mexiko. Da ist es wenigstens schön warm.
***
Ich steche mit meiner Gabel eine kleine Tomate ab. Jacky sitzt mir bei unserem Mittwochslunch gegenüber und sieht mich mitleidig an.
„Und ich frage mich die ganze Zeit, wie dieses riesige Kind jemals da unten herauskommen soll!?“ Ich fasse auf meinen Bauch und bin blass.
„Das ist ein echter Alptraum, ich weiß. Ich hatte ja echt Glück und einen Not-Kaiserschnitt.“
Schlagartig ist mir klar, dass das die rettende Lösung ist, und ich überlege fieberhaft, ob meine auserkorene Klinik, das Westend, auch wirklich darauf spezialisiert ist.
„Aber das ist wirklich keine super Lösung“, verpasst mir Jacky gleich einen Dämpfer.
„Wieso denn nicht? Reißverschluss auf, Kind raus, Reißverschluss wieder zu und das Ganze völlig ohne Schmerzen, da unter Narkose!?“
„Ein Kaiserschnitt ist erstens nicht gut fürs Kind, wegen der Lungenatmung oder so, frag mich nicht, und zweitens ein neverending Horror für dich. Statt ein paar Stunden hast du mindestens eine ganze Woche die fiesesten Schmerzen und musst sogar in die Bettpfanne pieseln. So war’s bei mir zumindest.“
Ich sehe Jacky schockiert an und zupfe an meinen Stützstrümpfen.
„Also gut. Dann brauche
Weitere Kostenlose Bücher