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Himbeersommer (German Edition)

Himbeersommer (German Edition)

Titel: Himbeersommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Saskia Beyer
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noch blutverschmierten, kleinen Tochter sage.
Magda und Tobias lachen gelöst, und die Anspannung der letzten Stunden fällt von allen ab.
Da klingelt mein Handy, und sofort ahne ich, dass es Daniel ist. Tobias, der mir mein Handy reicht, als wäre es heiß und fettig, sieht mich düster an und tatsächlich steht da „Daniel calling“. Als hätte er es gespürt! Schnell drücke ich ihn sowie jeglichen Gedanken an ihn weg.
Dr. Meyer-Großkotz, der die Szene verwundert beobachtet hat, muss zum Glück schon zum nächsten Fall, wünscht mir knapp alles Gute, und weg ist er.
Und ich liege da, mit gespreizten Beinen, bin unten aufgeschnitten, denke an Daniel und komme mir vor wie ein halbes Hähnchen, das zu früh aus dem Grill gekommen ist.
Die Hebamme nimmt mir Lisa ab, um sie zu untersuchen, und Tobias hält tapfer meine Hand. Magda lächelt mich Mut machend an, und ich frage mich, wie lange die mich ernstlich da unten aufgeschnitten so liegen lassen wollen. Fliegen nicht im Krankenhaus irgendwelche Monsterkeime herum, die sich so in meiner Gebärmutter breit machen können?!
„Ich gehe für dich ein halbes Schwein erlegen“, sagt Magda lächelnd und verlässt den Kreissaal.
Tobias drückt meine Hand, und ich sehe Tränen in seinen Augen. Weint er, weil er so überwältigt ist von der Geburt oder weil er eben nicht der Vater dieses kleinen Wunders ist?
„Wann nähen Sie mich denn endlich zu?“, frage ich die Hebamme, die Lisa gerade mit dem Kopf nach unten baumeln lässt.
„Ach, das macht der Oberarzt, da Sie ja eine Zusatzversicherung haben.“
„Ich denke, der ist nicht da?“, höre ich Tobias mit argwöhnischer Tonlage sagen.
„Ach, ja stimmt, mmh, dann vielleicht der Assi. Ich erkundige mich mal.“
„Das wäre prima, immerhin kann sonst jeder in meine Eingeweide schauen.“ Ich bin jetzt wirklich beunruhigt und sehe schon folgende Schlagzeile vor mir: „Späte Spätgebärende nach fiesem Krankenhauskeim in ihrer Scheide verstorben.“
„Ach, wir legen Lisa am besten gleich mal an, das Stillen muss ja schließlich klappen. Alles in Ordnung übrigens. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Kleinen.“ Die Hebamme, eine schlanke, Brünette mit einer unverschämten Wespentaille, wie ich erst jetzt registriere, sieht Tobias kokett an. „Ach, sie ist Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten.“
Tobias und ich starren beide vor uns hin und ahnen, was unser ganzes Leben lang auf uns zukommen wird.
„Ach, danke“, bricht es aus Tobias heraus, aber da er mich ansieht, klingt es wie: Danke, dass du mir das angetan hast, SCHATZ!
Lisa wird mir wieder auf die Brust gelegt, und die Wespentaille versucht krampfhaft, Lisa zum nuckeln zu bringen. Aber sie will nicht. Das fängt ja gut an. Ich fühle mich sofort abgelehnt, und Tränen kullern herunter.
„Schnecki, was hast du denn?“, sieht mich Tobias besorgt an und streichelt Lisa. Nicht mich.
„Ach, das ist normal, der Baby-Blues“, konstatiert die Wespentaille und sieht auf die Uhr. „Was glauben Sie, was da jetzt hormontechnisch abgeht in Ihrer Frau.“
Oh ja. Ich spüre die Hormone regelrecht Tango tanzen. Kleine, quirlige Monster, die in mir umherirren und nicht wissen, wohin.
Die Hebamme nimmt mir Lisa ab. „Ach, das wird jetzt wohl nichts. Die Kleine ist wahrscheinlich zu müde. Wir probieren das später noch mal. Sie wissen ja, Muttermilch ist das Allerbeste für ihr Kind.“
Ich nicke und fühle mich ausgelaugt.
Lisa wird in ein Bettchen neben mich gelegt, und nahezu gleichzeitig fallen uns beiden die Augen zu.
Wach werde ich erst wieder von dem Geruch eines Schweinebratens in Maggi-Soße und dem Stich in meine Scheide.
„AUAAA!“
Dieser impertinente Assistenzarzt wollte doch tatsächlich versuchen, mich zu nähen während ich schlafe?!
„`tschuldigung“, sagt der Mitte 20-Jährige, der ein Piercing auf der Zunge hat und lächelt mich frech an. „Ich hatte gehofft, dass Sie es gar nicht mitkriegen, so erschöpft wie Sie sein müssen.“
„Versuch misslungen“, fauche ich ihn an und werfe Tobias, der Lisa auf dem Arm hat, einen bösen Blick zu.
„Er hat behauptet, dass das durchaus sein kann“, versucht sich Tobias zu entschuldigen.
Magda hält mir den Schweinebraten unter die Nase. „Du bist unterzuckert, du solltest sofort etwas essen.“
„Ich näh aber erst den Damm“, unterbricht der Assi, „ich muss nämlich gleich noch zwei nähen. Im Moment ist Stoßzeit.“ Er grinst.
„Tobias, ich will danach sofort nach Hause“, schluchze ich los,

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