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Himmel der Suende

Himmel der Suende

Titel: Himmel der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riccarda Blake
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hielt, hatte so viel gleichgültige Kälte im Blick, dass Sergej wusste, er würde nicht eine Sekunde lang zögern, abzudrücken, falls er eine falsche Bewegung machte. Er war etwa Mitte dreißig und strahlte mit seinem Kurzhaarschnitt, dem kantigen Gesicht und seinem durchtrainierten Körper förmlich Militär aus.
    Ein Profi, das erkannte Sergej sofort. Aber arbeitete er für die Regierung oder als Söldner?
    Die Regierung schloss Sergej aus - offizielle Soldaten benutzten keine abgesägten Schrotflinten ... und waren auch nicht zuständig für die Bekämpfung der Prostitution. Das wäre die Polizei - und für einen Polizisten war der Mann eindeutig nicht zahm genug. Also blieb nur Söldner. Aber Söldner für wen? Und was wollte er von ihm?
    „Aussteigen“, rief er im Befehlston durch die geschlossene Scheibe hindurch und unterstrich das Wort mit einem knappen Wink seiner Waffe. „Mit erhobenen Händen.“
    Weil es keine Alternative dazu gab, bestätigte Sergej den Befehl mit einem ruhigen Nicken, hob eine Hand in die Höhe und langte mit der anderen nach dem Türgriff.
    Draußen machte der andere zwei schnelle Schritte zurück, um zu vermeiden, dass Sergej ihm mit der Wagentür das Gewehr aus der Hand schlagen konnte.
    Sergej stieg gezielt langsam aus, um seinem Gegenüber nicht mit einer zu hastigen Bewegung Anlass zu geben, vielleicht im Reflex abzudrücken.
    „Was wollen Sie?“, fragte er. „Das Mädchen? Geld?“
    „Still“, herrschte der Söldner ihn an.
    Sergej gab sich nicht der Illusion hin, dass er ihn nicht töten wollte, nur weil er das bis jetzt noch nicht getan hatte. Vielleicht wollte er ja nur den Wagen nicht beschädigen. Er schaute direkt in die eisgrauen Augen des Angreifers und erkannte den wahren Grund für deren gleichgültige Kälte. Es war nicht die kühle Bereitschaft, zu töten, falls es notwendig war. Nein, es war die absolute Gleichgültigkeit jemandem gegenüber, den man bereits für tot hielt. Dieser Mann war hier, um Sergej zu ermorden - das Todesurteil war bereits gefällt und musste jetzt nur noch vollstreckt werden. Aber an einem Ort, an dem es leichter sein würde, mögliche Spuren zu verwischen ... oder auf eine Weise, die überhaupt erst weniger Spuren machte als der Schuss aus einer Lupara.
    „Mitkommen“, knurrte der Söldner, deutete auf einen Weg, der hinter das Haus führte, und stellte klar: „Eine falsche Bewegung, und ich schieße.“
    Für den Moment blieb Sergej nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Die Distanz zu dem Killer war zu groß, um gegen die weite Streuung der Schrotflinte an ihn heranzukommen.
    Mit erhobenen Händen ging er voran.
    Anya erreichte das untere Ende der langen Steintreppe und hob den Kerzenständer, um die Umgebung wenigstens ein klein wenig besser erkennen zu können. Aber auch hier schien es so, als würde die Dunkelheit das Licht geradezu verschlingen. Sie konnte gerade einmal einen Armweit sehen und war obendrein durch die Flammen der Kerzen eher noch geblendet.
    Die Bruchsteinmauern waren mit alten Flechten und Spinnweben überzogen. Der Boden war mit groben Steinplatten belegt. Eine verschlossene Tür, die nach links abging, war aus groben Eichenbalken gezimmert und mit langen, mittelalterlich wirkenden Eisenscharnieren beschlagen. Dieser Keller war entweder aufwendig auf alt getrimmt oder falls nicht, was Anya eher vermutete, definitiv noch sehr viel älter als das Herrenhaus darüber.
    Jahrhunderte älter.
    Mit vorsichtig langsamen Schritten ging sie weiter. Immer den Gang entlang, wie der Butler es gesagt hatte. Andere Gänge kreuzten den, in dem sie ging, und Anya rechnete angespannt damit, dass sie jeden Moment jemand aus dem Dunkel neben, hinter oder vor ihr anspringen würde - im besten Falle nur, um sie zu erschrecken. Sadisten taten so etwas. Sie spielten vornehmlich mit der Angst ihrer Opfer. Anya konnte dem nichts abgewinnen. Sie ließ sich gerne unterwerfen ... und benutzen ... und mochte Schmerzen. Aber Angst hasste sie.
    Ihr Puls raste, und das Herz schlug ihr mit jedem Schritt, den sie tat und der von den kalten Wänden widerhallte, höher und schließlich bis zum Hals. So ging sie für eine halbe Ewigkeit den Gang entlang, der ihr sehr viel länger vorkam als das Haus darüber.
    Ein unterirdisches Labyrinth.
    Da - nach einer Weile hörte sie von vorn leise Klänge. Sie blieb stehen und lauschte angestrengt. Zuerst schienen die Geräusche keinen besonderen Sinn zu machen, doch je intensiver sie hinhörte, umso

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