Himmel der Suende
verkrüppelt und verknorpelt, wie das Wurzelwerk eines alten Baumes. Es schien, als sei jeder einzelne Knochen in ihr mindestens einmal gebrochen gewesen und danach unsauber zusammengewachsen und verheilt. Die Fingernägel waren gelb und krallenartig.
Er streckte die knorrigen Finger aus, so weit er konnte.
„Oh ja“, sagte er schließlich. „Ich kann sie fühlen. Sie trägt sie in sich.“
Was, fragte sich Anya. Was trage ich in mir?
„Aber nicht mehr lange“, sagte die Gestalt und krallte die Finger zur Faust. „Wir werden uns nehmen, was rechtmäßig unser ist.“ Er drehte sich um und blickte ins Dunkel. „Beginnt mit dem Ritual!“
Eine der anderen Gestalten trat aus der Finsternis hervor.
„Jetzt, Herr?“, fragte sie zögerlich. Ihre Stimme war weiblich.
„Ja, Tami’El. Jetzt.“
„Aber ...“
„Was aber?“, herrschte er sie an.
„Der Gebieter hat ausdrücklich gesagt, dass wir auf ihn warten und sie bis zu seiner Ankunft nur festhalten und bannen sollen.“
Die männliche Gestalt lachte rau auf. „Natürlich hat er das. Weil er den Preis ganz alleine für sich beanspruchen will. Aber hat er ihn auch verdient?“
„Er ist unser aller Herrscher“, gab die Frau zu bedenken.
„Das war er einmal“, räumte der Anführer ein. „Vor langer, langer Zeit. Und wohin hat uns das gebracht? Ist es nicht seine Schuld, dass wir seitdem hier gefangen sind? Hat er damit das Recht, über uns zu herrschen, nicht verwirkt?“
„Wir haben ihm die Treue geschworen, Bezal’El“, erwiderte sie.
„Und damit bereits einen sehr viel älteren Schwur gebrochen“, sagte er. „Und nun ist es wieder an der Zeit, einen zu brechen. Damit wir endlich und ein für alle Mal frei sein können.“
„Dann unter deiner Herrschaft, nehme ich an“, sagte sie mit skeptischem Ton in der Stimme.
Er zuckte mit den Schultern. „Irgendjemand muss das Geschick der Dinge ja lenken.“
„Wirklich?“, fragte sie zweifelnd. „Ist es nicht genau das, wogegen wir uns erhoben haben? Dass ein Einziger die Macht hat, die, wie du es ausdrückst, Dinge zu lenken?“
Er kicherte finster. „Meinst du denn, er und seine ... Ge fährtin ... haben nicht ganz genau das Gleiche im Sinn? Glaubst du, nach allem, was damals geschehen ist, wirklich seinem Versprechen, dass dies der letzte Kampf sein wird? Nur um die Balance wiederherzustellen? Und dass er danach die Macht abgibt, nur damit wir alle in Freiheit leben können? Glaubst du das wirklich?“
„Ja, das tue ich“, sagte sie. „Und ich werde dich daran hindern, ihn und damit uns alle zu verraten.“
Er seufzte. „Einen Quertreiber gibt es wohl immer“, sagte er. „Das war schon immer so, und das hat uns ja auch überhaupt erst in diese missliche Lage gebracht.“
„Was lässt dich glauben, dass ich alleine stehe?“, fragte sie herausfordernd, aber dann wurde ihre Haltung plötzlich unsicher, und Anya erkannte von dort, wo sie lag, dass ihr wohl gerade der Grund für sein arrogantes Vorgehen klar wurde.
„Weil alle anderen in meinen Plan eingeweiht sind“, bestätigte der Anführer. „Nur du nicht. Weil ich mir ziemlich sicher war, dass du uns verraten würdest - was du hiermit bestätigt hast.“
Sie wirbelte herum und zog dabei zwei lange gebogene Schwerter unter ihrer wehenden Kutte hervor. Doch ehe Tami’El auch nur eine weitere Bewegung machen konnte, zuckten aus dem Dunkel fast ein Dutzend blaue, rote und schwarze Blitze hervor ... und verwandelten sie im Sekundenbruchteil in eine Statue aus Stein.
Im ersten Impuls fühlte Anya sich dadurch an irgendetwas erinnert, das sie nicht greifen konnte, sodass sie sich erst in einem zweiten darüber wunderte, dass das Schockierende, das Verwunderliche, dessen Zeuge sie gerade geworden war, sie gar nicht so sehr schockiert oder verwundert hatte, wie es eigentlich der Fall hätte sein müssen.
Da ist gerade ein Mensch von Lichtblitzen in Stein verwandelt worden, und das Erste, dass du dich fragst, ist, woran dich das erinnert, dachte sie völlig irritiert. Doch zu weiteren Überlegungen kam sie nicht. Der Anführer mit dem seltsamen Namen - Bezaal? - drehte sich wieder zu ihr herum ... und zog mit seiner verkrüppelten Hand ein Messer mit einer gebogenen Scheide aus Bronze unter seiner Kutte hervor. Mit seiner anderen gleichermaßen zerstörten Hand streifte er sich die Kapuze vom Kopf.
Der furchtbare Anblick fuhr Anya bis ins Mark. Das Gesicht war noch schrecklicher verunstaltet als schon die Hände. Es
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