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Himmel der Suende

Himmel der Suende

Titel: Himmel der Suende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Riccarda Blake
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war faltiges und vernarbtes Fleisch, das irgendwie lose auf einem Schädel hing, der ebenfalls den Eindruck erweckte, als sei er an mehreren Stellen gebrochen und schief wieder zusammengewachsen. Das linke Auge saß zudem in einer offenen Höhle, und der Mund war in der Mitte gespalten, sodass es aussah, als hätte er vier Lippen, die auf einer Seite kraftlos herabhingen und von denen Speichel troff.
    Angeekelt wandte sie den Kopf weg, um nicht länger in dieses erschreckende Antlitz starren zu müssen.
    „Was?“, brüllte er. „Du wendest den Blick ab von deinem eigenen Werk? Schau mich an!“
    Anya konnte nicht anders. Seine Worte waren ihr Befehl. Sie musste den Kopf wieder zu ihm zurückdrehen und ihn ansehen.
    „Ja, du erinnerst dich vielleicht nicht“, rief er voller Zorn. „Aber das hier hast du mir angetan.“ Er hob das Messer. „Doch ich werde dir helfen, dich wieder zu erinnern ... und damit endlich, endlich, endlich meine Rache haben!“
    Er riss das Messer mit beiden Händen hoch über den Kopf und stach zu.
    „Das ist weit genug“, sagte der Killer zu Sergej, nachdem er ihn um das Herrenhaus herum durch einen Hintereingang nach unten in das Kellergewölbe geführt hatte. Jetzt standen sie in einem von oben bis unten gekachelten Raum, der wohl vor langer Zeit als Schlachthaus gedient hatte.
    Sergej blieb stehen. Das war nun also das Ende. Hier würde der Söldner ihn erschießen. Hier, wo alle Spuren leicht zu beseitigen sein würden. Sein Gehirn arbeitete mit voller Kraft, um einen Weg zu finden, das Unaufhaltsame aufzuhalten - nahe genug an den anderen heranzukommen, um ihn zu entwaffnen. Aber der Killer war zu sehr Profi, um ihm diese Chance einzuräumen. Er hielt immer ausreichend Abstand, um die abgesägte Schrotflinte einsetzen zu können, falls Sergej auch nur eine falsche Bewegung machte.
    Ein beschissenes Ende, fluchte Sergej in sich hinein, aber am meisten Sorgen machte er sich gar nicht um sich selbst. Er hatte immer gewusst, dass es bei seiner Art zu leben früher oder später so kommen würde. Nein, die meisten Sorgen machte er sich um Anya. Sie hatte sich darauf verlassen, dass er sie beschützen würde, und er hatte sie im Stich gelassen. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was gerade mit ihr wohl geschah. Soweit er das beurteilen konnte, wurde er nur aus dem Weg geräumt, weil der Auftraggeber des Söldners ihrer habhaft werden wollte. Aber ob das nun geschah, um sie buchstäblich zu versklaven oder um sie für viel Geld an ein anderes Studio in einem anderen Land zu verkaufen, konnte er nicht einschätzen. Masochistinnen, die dermaßen viel ertragen konnten wie Anya, waren auf der ganzen Welt hochbegehrt.
    Sergejs Sorge entsprang nicht geschäftlichem Interesse ... aber das spielte nun auch keine Rolle mehr. Er würde keine Gelegenheit mehr finden, Anya zu sagen, wie er in Wahrheit für sie empfand.
    „Das war’s dann also“, sagte er und drehte sich zu seinem Mörder herum. Der nickte und holte mit der freien Hand eine Pistole aus der Innenseite seiner Jacke.
    „Verstehe“, sagte Sergej. „Macht weniger Dreck als die Lupara.“
    „Nichts Persönliches“, sagte der Killer, hob die Waffe und zielte damit auf Sergejs Stirn.
    Wäre die Pistole die einzige Waffe in seiner Hand gewesen, hätte Sergej einen Versuch gestartet. Doch da war noch die Lupara, die er mit der Linken auf Sergejs Bauch gerichtet hatte. Keine Chance.
    Der Killer spannte den Hahn. Eigentlich zog einem in einem solchen Moment das ganze Leben vor dem geistigen Auge vorbei, hieß es doch immer. Sergej erlebte nichts dergleichen. Er hatte nur einen einzigen Gedanken: Anya. Und sein russisches Herz schwoll an mit all der Traurigkeit und Melancholie, die nur ein russisches Herz zu fassen vermag. Traurigkeit darüber, dass er ihr nie gesagt hatte, was er wirklich fühlte ... und Melancholie, dass er sie nie wieder in seinen Armen würde halten können.
    Doch da ...
    Genau in dem Moment, in dem der Killer abdrücken wollte, tat es einen gewaltigen, ohrenbetäubenden Schlag, und das gesamte Kellergewölbe wurde von einem heftigen Beben geschüttelt.
    Eine Explosion. Sie war so stark, dass sie Sergej beinahe von den Füßen gerissen hätte. Aber auch der Killer geriet ins Wanken und war für einen winzigen Moment abgelenkt - und Sergej nutzte seine Chance.
    Mit aus Verzweiflung und jahrelangem Training geborener Schnelligkeit sprang er nach vorn, schlug mit den Fäusten beide Waffen zur Seite weg und rammte seine

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