Himmel der Suende
herauszureißen!“
Jetzt war es Tami’El, die zurückweichen musste. Die Kapuze ihrer Kutte rutschte ihr vom Kopf und gab den Blick frei auf langes rabenschwarz glänzendes Haar. Ihre kristallblauen Augen funkelten. Unter ihren hohen Wangenknochen leuchtete die ansonsten alabasterbleiche Haut in einem tiefen Rot. Man’El hatte schon fast vergessen, wie schön sie war - nicht umsonst bedeutete ihr Name Vollkommenheit. Früher waren sie einmal Freunde gewesen, aber das war inzwischen schon sehr lange her.
„Du wagst es, uns Bestien zu nennen?“, begehrte sie auf. „Nach dem, was ihr uns angetan habt?“
„Ihr habt gegen den Willen unseres Herrn rebelliert!“
„Eures Herrn, Man’El! Nicht unseres!“, erwiderte sie und zog ihre Klingen gerade noch rechtzeitig aus der Schwungbahn des glühenden Kriegshammers, um zu vermeiden, dass sie zerbrachen. „Er war der wahre Rebell. Er hat Luzifers Aufstand dazu benutzt, die Herrschaft über die Himmel an sich zu reißen und seine Brüder und Schwestern zu entmachten. Wir haben die Menschheit nur vor ihm beschützt.“
„Ihr habt euch gegen uns und für diese Primaten entschieden“, knurrte Man’El. „Ihr wolltet sie sogar in einen Krieg gegen uns führen!“
„Einige von uns, vielleicht“, sagte sie. „Aber die meisten von uns haben sie nur gelehrt, sich gegen seine Willkür zur Wehr zu setzen. Wir haben sie gelehrt, wie man Häuser baut und Äcker bestellt, um nicht auf die Gnade der Natur angewiesen zu sein.“
„Azazel hat sie gelehrt, wie man Waffen schmiedet und Schlachten schlägt!“
„Natürlich hat er das“, erwiderte Tami’El. „Ihm war früher als uns anderen klar, dass ihr sie nicht in Ruhe lassen würdet, wie die Elohim es ursprünglich vorgesehen hatten, und dass ihr sie früher oder später angreifen und versuchen würdet, sie zu unterdrücken.“
„Ihr habt damit die ganze Ordnung zerstört.“
„Natürlich haben wir das“, hielt sie dagegen. „Ordnung war von Anfang an nicht Teil des ursprünglichen Plans.“
„Also kämpft ihr für Luzifer.“
„Nein“, widersprach sie. „Luzifer will Chaos. Das ist genau das andere Extrem. Wir kämpfen für die Freiheit.“
„Die ohne Ordnung im Chaos mündet...“
„Die ohne Chaos zur Leblosigkeit verkommt!“
„Wir drehen uns im Kreis“, knurrte er und trieb Tami’El mit einer Serie von Schlägen so weit zurück, dass sie schließlich mit dem Rücken zum Altar stand. „Ich will nur wissen, was ihr Ani’El angetan habt und wo sie jetzt ist.“
„Selbst wenn ich es wüsste, würde ich es dir nicht sagen.“
„Was meinst du damit, dass du es nicht weißt?“
„Ich war versteinert, falls du dich erinnerst.“
„Ani’El hat sich gewehrt.“
„Das war nicht Ani’El“, sagte sie. „Es war Bezal’El.“
Man’El hielt mitten im Schwung seines nächsten Schlages inne.
„Bezal’El lebt?“
„Ja, und er will Rache“, sagte sie. „Dafür, dass Ani’El ihn auf ewig zum Krüppel gemacht hat.“
„Aber ... wenn er es war, der dich versteinert hat ... dann hast du versucht, Ani’El zu beschützen“, sagte er verwirrt - und ließ die Waffe sinken.
Schneller als eine angreifende Kobra stach Tami’El zu. Die vergiftete Klinge traf Man’El in den Bauch. Nicht tief - aber das Gift wirkte sofort. Sosehr er sich auch anstrengte, er konnte sich nicht mehr bewegen.
Tami’El lachte spöttisch auf. „Das ist so typisch für euch Himmlische. Für euch ist alles entweder schwarz oder weiß. Ihr habt einfach zu wenig Fantasie.“
Sie steckte ihre Schwerter weg und trat ganz dicht an ihn heran. Er konnte sie deutlich sehen, den betörenden Duft ihres Parfüms riechen, die Wärme ihres wunderschönen Körpers fühlen - aber rühren konnte er sich nicht.
„Für den Augenblick lasse ich dich am Leben“, sagte sie, mit ihren blutroten Lippen ganz dicht an den seinen. „Weil du mich befreit hast. Das Gift wird seine Wirkung in wenigen Minuten verlieren. Aber damit sind wir quitt. Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, töte ich dich.“
Man’El fluchte stumm in sich hinein.
Sie küsste ihn auf die bewegungslosen Lippen und verließ den Raum.
7. KAPITEL
Wiedersehen
Axel teilte die Wolkendecke mit einem Schlag seiner Flügel.
Er hatte Magdalena in einer Höhle in der Klippe zurückgelassen, um sie ein wenig Schlaf finden zu lassen, nachdem sie sich die ganze Nacht ausschweifend geliebt hatten. Ohne sie war die Suche nach Nü Gua leichter.
Seine Gedanken waren in
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