Himmel der Suende
Sergej mit dem anderen Stein mit aller Kraft zu.
Anya zuckte zusammen, als sie sah, wie Man’El die Zähne zusammenbiss und sich sein Gesicht vor Schmerz verzerrte. Aber er hielt, was er versprochen hatte, und gab keinen Ton von sich.
Sergej legte den Stein zur Seite und begann damit, die Ketten loszuwickeln. Sobald sein Arm frei war, nahm Man’El die verletzte Hand nach vorn, murmelte mit vor Schmerzen zusammengebissenen Zähnen Worte, die Anya wie schon beim Kloster in Sankt Petersburg nicht verstand, die ihr aber seltsam vertraut vorkamen. Das Handgelenk glühte auf, und einen Augenblick später war der Schmerz aus Man’Els Gesicht verschwunden, und er half Sergej dabei, die Ketten abzustreifen.
„Also, wie lautet dein Plan?“, fragte Anya, als er vom Boden aufgestanden war.
„Wir versuchen dasselbe, das auch Sam’Yaza versucht hat“, antwortete er.
Sie machte einen schnellen Schritt zurück. „Du willst mich vergewaltigen?“
„Nein, nein, nein“, beeilte er sich zu sagen und machte eine entsprechend abwehrende Geste mit den Händen. „Ich versetze dich mittels Magie in Trance und führe dich zu deinen schönsten Erinnerungen zurück. Wie in Sankt Petersburg.“
„Mit welchem Zweck?“, fragte sie.
Er lächelte. „Ich bin mir sicher, es ist mehr als eine dabei, die dich derart in Verzückung versetzt, dass das Tor zu deiner Seele sich öffnet und du dich wieder erinnerst, wer du bist. Und wenn du erst deine Kräfte wiederhast, sind wir gemeinsam stark genug, um wenigstens zu fliehen.“
„Du setzt immer noch voraus“, schaltete Sergej sich ein, „dass Anya diese Ani’El ist.“
„Wenn sie nicht Ani’El ist, haben wir ohnehin keine Chance, und es wäre völlig egal, was wir tun“, sagte Man’El ernst. „Aber da ich mit Sicherheit weiß, dass sie es ist, müssen wir darüber jetzt nicht schon wieder streiten. Bitte.“
„Okay“, sagte Anya. „Dann nehmen wir einmal an, ich sei Ani’El. Mich in die Vergangenheit zu führen hat schon in Sankt Petersburg nicht funktioniert. Wieso sollte es jetzt klappen?“
„Wir müssen es nur oft genug versuchen“, antwortete er. „Der Plan an sich ist vielleicht gar nicht so schlecht“, sagte Sergej. „Wenn wir mehr Zeit hätten. Haben wir aber nicht. Schon bald kommen sie, um sie für das Ritual zu holen.“
„Dann sollten wir am besten gleich anfangen“, sagte Man’El.
„Warte“, sagte Sergej.
„Worauf?“, fragte Man’El.
„Diese Magie, die du anwendest“, erwiderte Sergej, „kann die auch Fantasien zum Leben erwecken oder nur Erinnerungen?“
„Auch Fantasien. Warum?“
„Wenn sie sich nicht an ihrer früheres Leben erinnern kann, ist es doch gut möglich, dass sie in einer Erinnerung nicht die gleiche Ekstase empfindet, wie sie sie als Ani’El empfunden hat. Um sie in Verzückung zu versetzen, muss sie etwas erleben, das Anya begeistern würde.“
Man’El zögerte.
„Das stimmt“, gab er dann zu.
„Also, Anya“, wandte Sergej sich an sie. „Was wäre dein größter Wunsch? In welche Fantasie soll Man’El dich versetzen?“
Noch ehe sie wusste, was sie darauf antworten sollte, spürte sie, wie sie rot wurde.
„Das kann ich nicht sagen“, erklärte sie leise und blickte verschämt zu Boden.
„Unser Leben könnte davon abhängen, Anya“, sagte Sergej eindringlich. „Das heißt, falls du wirklich diese Ani’El sein solltest.“
Sie sah, dass sein Blick bei den letzten Worten einen leicht traurigen Ausdruck bekam.
„Die Wahrheit ist, dass mich noch nie jemand gefragt hat, was ich mir wünsche“, sagte sie. „Und deswegen habe ich mir wohl auch nie etwas gewünscht. Also, zumindest nichts, was eigentlich unerreichbar wäre.“
Man’El trat an sie heran und schaute sie liebevoll an. „Aber jetzt wünschst du dir etwas. Ich kann es an deinen Augen sehen.“
Sie wurde noch röter.
„Ich ... ich ...“, stotterte sie. Der Gedanke war ein spontaner gewesen ... aus dem Bauch heraus ... oder vielmehr aus dem Herzen. Aber war nicht genau das die Natur eines sehnlichen Wunsches? Eines Wunsches, der so verrückt war, dass man ihn unmöglich zu einem Plan machen konnte, weil man im Vorfeld wusste, dass er sich nie erfüllen würde.
„Sprich es einfach aus“, sagte Sergej rau und ungeduldig. „Wir haben jetzt keine Zeit für falsche Scham.“
Sein Befehl machte es ihr leichter. Seine Macht über sie war ähnlich groß wie die Sam’Yazas - nur dass Sergej dazu kein Di’Mai einsetzen musste. Sie
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