Himmel, Polt und Hölle
Er
schnupperte. „Bist du betrunken, Simon?“
„Nein. Jetzt nicht mehr.“
,Also gut. Dr. Eichhorn sagt, daß Atropin im Spiel
ist, oder etwas in der Art. Und ich glaube kaum, daß die Frau Pröstler
selbstmordgefährdet war.“
„Ich auch nicht. Sie ist zwar letzte Woche fürchterlich
erschrocken, als sie unvermutet Heinz Hafner gegenüberstand, aber der Pfarrer
meint, es wäre alles halb so schlimm gewesen.“
„Erzähl mir später Genaueres, Simon. Ich habe schon
vor einer guten halben Stunde mit Landesgendarmerieinspektor Kratky
telefoniert. Die Tatortgruppe aus Wien wird bald da sein. Hast du eine Ahnung,
wie dieser Heinz Hafner zur Amalie gestanden ist?“
„Nein. Nur Sonntag abend, als ich ihn bei Frau Hahn
getroffen habe, hat er gesagt, daß ich bitte auf seine kleine Pfarrersköchin
aufpassen soll.“
„Wenn er wirklich Angst um sie hatte, war das offenbar
mehr als berechtigt. Der Pfarrer hat sich mit seiner Köchin gut vertragen?“
„Sehr gut, würde ich meinen.“
„Und der Halbwidl?“
„Hat sie hoffnungsvoll angebetet.“
„Willst du einen Blick hineinwerfen, Simon?“
„Von wollen ist keine Rede.“
Amalie Pröstler lag in einem schönen altmodischen
Bett auf dem Rücken. Als Polt nähertrat, sah er, daß ihre Gesichtszüge
verzerrt waren und die Pupillen unnatürlich groß. Harald Mank war ihm gefolgt.
„Der Mesner hat sie gefunden, als ihn der Pfarrer nach ihr geschickt hat. Sie
ist verkrümmt auf dem Boden gelegen. Muß vor ihrem Tod gewütet haben wie eine
Besessene. Nach seiner Aussage hat der Firmian versucht, erste Hilfe zu
leisten. Er war ja einmal beim Roten Kreuz. Dann hat er sie aufs Bett gelegt.“
„Und der Pfarrer?“
„Ich habe erst kurz mit ihm geredet. Er wirkt
fassungslos und sehr traurig. Aber erst der Firmian! Am Telefon hat er
geschrien, als ginge es ihm selbst ans Leben. Bei unserer Ankunft sind ihm die
Tränen übers Gesicht geronnen, und jetzt sitzt er totenblaß und zitternd im
Nebenzimmer. Dr. Eichhorn ist bei ihm.“
Polt schaute sich um. Eine Tischdecke, Scherben und
Blumen lagen auf dem Boden. Die Einrichtung des Raumes war so, wie man es in
einem alten Pfarrhaus erwartete. Nur ein modernes und bis zum letzten Platz
gefülltes Bücherregal fiel auf. „Darf ich?“ Neugierig ging Polt darauf zu,
nahm Bände zur Hand und blätterte darin. Viele davon waren Kochbücher, andere
Romane. Namen wie Lilly Brett, Rex Stout, Kurt Lanthaler, Leon de Winter oder
Paulo Coelho sagten ihm nicht viel. Doch dann stieß er auf ein Buch von Hermann
Hesse, Die Antwort bist du selbst war der Titel. Polt schlug es auf und sah eine Widmung in
schöner, akkurater Schrift: Zum
Nachdenken. Für einen allerliebst verdrehten Kopf. Franz F.
Mit einem raschen Seitenblick auf Harald Mank stellte
Polt das Buch zurück. Dann wandte er sich ihm zu. „Was jetzt?“
„Ruf im Gemeindeamt an, ob die Aufbahrungshalle für
eine Obduktion frei ist.“
Noch während Polt in der Pfarrkanzlei telefonierte,
hörte er quietschende Autoreifen, dann hastige Schritte. Die arme Amalie,
dachte er. Jetzt muß sie zum zweiten mal sterben.
Kratky schaute mißlaunig in die Runde, während seine
Leute an die Arbeit gingen. „Sehr erfreut, meine Herren. Ausnahmsweise bin ich
einmal rechtzeitig verständigt worden, und der Richter hat rasch reagiert. Das
gibt uns immerhin die Möglichkeit, die Sache professionell anzugehen. Darf ich
Ihren Wissensstand erfahren? Gestrafft, bitte, aber in ganzen deutschen
Sätzen.“
Harald Mank berichtete. Kratky zog eines seiner
stets akkurat gefalteten Taschentücher hervor und wischte sich über die
schweißnasse Stirn. „Verdammte Hitze. Aber immer noch besser als in der Stadt.
Der Herr Pfarrer und sein Mesner sind also hier im Haus. Und dieser Heinz
Hafner, wo ist der?“
Mank schaute zu Polt hinüber, der zuckte mit den
Schultern. „Das letzte Mal habe ich ihn vergangenen Sonntag gesehen, am späten
Nachmittag.“
„Sehr präzise.“ Kratky warf Simon Polt einen raschen
Blick zu. „Wo ist eigentlich Ihre Uniform, Herr Kollege?“
„Ich bin heute nicht im Dienst.“
„Verstehe, aber allzeit bereit.“
Mank räusperte sich. „Der Simon, Inspektor Polt
meine ich, kennt die Verhältnisse im Pfarrhaus am besten. Deshalb habe ich ihn
holen lassen.“
Alle schauten zur Tür, als ein zaghaftes
Klopfzeichen ertönte. Heinz Hafner machte einen zögernden Schritt ins Zimmer.
Peter Paratschek war mit ihm gekommen, blieb aber ein paar Schritte
Weitere Kostenlose Bücher