Himmel, Polt und Hölle
hätte noch länger geschlafen, wäre da nicht etwas Kühles, Feuchtes
an seinem Gesicht gewesen, Czernohorskys hellrosa Nase. „Wer hat dir denn das
erlaubt, du haariges Ungeheuer?“
Polt sah, daß die Schlafzimmertür offenstand. Entweder
war er gestern abend unaufmerksam gewesen, oder sein vierpfötiger Mitbewohner
hatte gelernt, mit der Türschnalle umzugehen. Das Fenster zum Hof war geschlossen,
weil die Wetternachrichten im Radio Regen angekündigt hatten. Und es regnete
tatsächlich, Polt sah Tropfen auf der Fensterscheibe und dahinter naß glänzendes
Grün. „Zeit war's, mein Guter, höchste Zeit.“ Er klopfte auf Czernohorskys
ausladendes Hinterteil. Dann erhob er sich gähnend und setzte den Kater vor die
Tür. „Wir haben getrennte Schlafzimmer, verstanden? Gleich gibt's Frühstück.“
Simon Polt hatte dienstfrei und konnte es langsam angehen
lassen. Erst einmal trat er im Schlafrock vor die Tür und genoß die kühle, feuchte
Luft. Dann füllte er den Freßnapf seines Katers und begann den Frühstückstisch
zu decken. Gottlob gab es noch einen Bäcker in Burgheim, er lieferte sogar ins
Haus. Polt roch am Brotleib, schnitt zwei Scheiben ab und legte goldgelben
Käse darauf, der aus Tirol stammte, von einem Weinkunden des Höllenbauern. Dann
holte er Brombeermarmelade aus dem Kühlschrank, die ihm Grete Hahn zum Kosten
mitgegeben hatte, und stellte Frau Kurzbachers vielgerühmten Holundersaft
daneben. Fehlte noch Quittengelee, ein Produkt aus Karin Walters Küche. Ein
wenig fest war es geraten, und dazu kam noch eine sehr saure Zitronennote.
Böswillige Menschen hätten dieses Nahrungsmittel als ungenießbar bezeichnet.
Für Simon Polt war es höchst reizvoll und aufregend eigenwillig.
Nach dem Frühstück hatte er wenig Lust, das Haus zu
verlassen und begnügte sich damit, dem Höllenbauern einen Besuch abzustatten.
Den Weg in den vorderen Teil des langgestreckten Hofes konnte er im Trockenen
gehen. Hier gab es noch den früher allgemein üblichen Gang unter einer
schmalen, von Säulen getragenen Decke, die „Trettn“.
Die Tür zur geräumigen Küche stand offen. Ernst
Höllenbauer saß allein am Tisch und schälte Erdäpfel. „Morgen, Simon. Die Erika
ist einkaufen fürs Wochenende, und die Kinder sind in der Schule.“
Polt nahm sich ein Messer und einen Erdapfel, ließ
ihn aber hastig fallen. „Wie hältst du denn das aus, Ernstl?“
Der Bauer zeigte seine Hände her. „Die Arbeit,
Simon, da kriegst eine dicke Haut. Magst was trinken? Kaffee war fertig.“
„Gar keine schlechte Idee. Sag einmal: Dein Cabernet
Sauvignon und Tollkirschensaft, das muß doch eine abscheuliche Mischung sein,
oder?“
„Da bin ich gar nicht so sicher. Als Kind hab ich
einmal eine Tollkirsche gekostet. Schmeckt nicht einmal schlecht. An die Folgen
kann ich mich allerdings auch noch erinnern, als ob's gestern gewesen war.
Schlucken hab ich nicht mehr können, dann hat's mir den Magen umgedreht,
Krämpfe, Kopfweh, Schwindel, ich hab geglaubt, es ist vorbei mit mir.
Gottseidank hat sich meine Mutter ausgekannt: Glaubersalz, Kohletabletten und
schnell zum Dr. Eichhorn.“
„Und noch was: Hat außer diesem Hafner in letzter
Zeit jemand bei dir einen 79er Carbernet Sauvignon eingekauft?“
„Nein. Es sind nur noch wenige Flaschen da, und die
sind ganz schön teuer.“
„Und früher?“
„War das natürlich anders. Vor über zehn Jahren, als
ihn der Pfarrer noch als Meßwein genommen hat, haben oft auch welche von der
Frauenrunde mitbestellt. Die sind ja von allem begeistert, was der hochverehrte
Herr Pfarrer gut findet. Wenn ich nachdenke, fallen mir sicher noch ein paar
Namen ein. Gut möglich, daß da und dort noch eine Flasche liegt.“
„Wie ist das mit dem Fürst Franzi? Der hat mir neulich
erzählt, daß er noch alten Wein im Keller hat.“
„Wundert mich eigentlich, daß sich so was bei ihm
hält. Den Cabernet Sauvignon hat er jedenfalls gern gekauft, früher, als er
noch getrunken und nicht gesoffen hat.“
„Hast du die Amalie Pröstler näher gekannt?“
„Nein. Als die ins Wiesbachtal gekommen ist, war ich
noch in der Hauptschule. Für uns Buben war sie wie eine außerirdische
Erscheinung. Damals haben sich die Mädchen im Dorf noch älter gemacht als sie
waren, mit weiten Kleidern und strengen Frisuren. Die Amalie Pröstler aber hat
so ausgeschaut wie die Damen im Kino. Und geduftet hat sie! Meine Mutter hat
jedenfalls immer gesagt, daß es eine Sünde ist, sich so herzurichten, noch
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