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Himmel, Polt und Hölle

Himmel, Polt und Hölle

Titel: Himmel, Polt und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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und
eine altmodische Schreibmaschine. „Herr Fürst!“ Keine Antwort. Eine
Holzleiter führte zu einem kleinen Raum, der sich hinter dem Preßhausdach in
die Böschung schob. Polt erschrak, als er in einem zerschlissenen Polstersessel
ein menschliches Gerippe sitzen sah. Auf den zweiten Blick erkannte er es als
kunstvolle Bastelarbeit aus Papier. An der linken Seite des Brustkorbes war ein
großes rotes Herz auf die Rippen geklebt, und über dem Schädel hing ein
Plastikschwert am sprichwörtlich dünnen Faden. Der Gendarm kletterte nach
unten, trat ins Freie und sah neben dem Gebäude eine offene Kellertür.
    Als er die nach unten führende Treppe betrat, schlug
ihm eine unerwartete und beklemmende Mischung von Gerüchen entgegen. Verfaultes
Holz, Kot, Urin, Verwesung. Polt spürte Übelkeit hochsteigen. Doch die Sorge
um Franz Fürst verdrängte den Ekel. Rasch ging er nach unten und sah, daß eine
Reihe brennender Kerzen den Keller erhellte. Dann sah er auch Franz Fürst. Er
kauerte in einer Nische im Löß auf einem Haufen Fetzen und zitterte. „Herr
Fürst!“ Polt trat näher, berührte ihn an der Schulter. Der Lehrer zuckte
zusammen, schaute hoch und erkannte den Gendarm. „Die helfende Hand des
Gesetzes? Oder die strafende?“
    „Die Hand vom Simon Polt. Und jetzt sagen Sie einmal,
warum stinkt es denn hier so erbärmlich, entschuldigen schon!“
    „Ich gebe seit Tagen das Schauerstück vom lebendig
Begrabenen. Weiß schon gar nicht mehr, wie das Tageslicht aussieht. Meine
Notdurft verrichte ich hier unten. Und dann ist da noch die Elsa.“
    „Elsa?“
    Fürst zeigt auf ein schwarzes Etwas, das Polt im
Halbdunkel übersehen hatte. Eine tote Krähe hing an einem Stück Spagat.
    „Als sie noch gelebt hat, war die Elsa eine Freundin
von mir. Und jetzt gehen wir eben gemeinsam den Weg alles Vergänglichen.“
    „Sie werden sich den Tod holen, hier unten.“
    „Oder der Tod holt mich. Aber das dauert. Ich bin
zäh, wissen Sie? Immer sportlich gewesen.“
    „Kann ich Sie dazu überreden, mit mir nach oben zu
gehen? Bitte, Herr Fürst!“
    „Das war hinterhältig.“
    „Warum?“
    „Ich hab noch nie Nein sagen können.“
    Donner und Blitz
     
    Franz Fürst hielt die Hand
vor die Augen, als er zögernd ans Tageslicht trat. „Der Himmel zürnt. Spüren
Sie nichts?“
    Tatsächlich hatte der Wind aufgefrischt. Polt
schaute nach oben und sah blaugraue Wolken, die den Himmel fast völlig
bedeckten. Schon fielen die ersten Tropfen. „Na endlich! Die Natur kann's
brauchen.“
    „So ein Gewitter bringt leider nicht viel, Herr
Polt. Das meiste Wasser bleibt an der Oberfläche, und die Menschen haben in
ihrer begnadeten Dummheit dafür gesorgt, daß das kostbare Naß so rasch wie
möglich abfließt. Bei den Alten ging es um jeden Tropfen. Doch ihren Nachfahren
ist es gelungen, das Land so lange trockenzulegen, bis es wirklich trocken
war, wüstentrocken. Heute weiß man es wieder besser, aber es ist schon fast zu
spät. Kommen Sie ins Preßhaus, Inspektor, da ist das Dach noch so halbwegs in
Ordnung.“
    Franz Fürst ging voran, suchte nach Zündhölzern und
Kerzen, fand beides. „Einen Augenblick Geduld. Ich muß mein alter ego retten,
mein anderes Ich.“ Der Lehrer kletterte nach oben und kam mit dem Gerippe
wieder. „Das Damoklesschwert kann bleiben, wetterfest, wie es ist.“
    Simon Polt ging zur offenen Tür des Bretterverschlages,
um nach dem Wetter zu sehen. Es regnete heftig, wütende Windstöße jagten das
Wasser in Schwaden über die Rebstöcke.
    Franz Fürst war neben ihn getreten. „Der Himmel gibt
der Erde einen nassen Kuß. Nette Metapher für Regen.
    Hab ich irgendwo gelesen. Das hier schaut mir aber
eher nach Vergewaltigung aus. In spätestens zwanzig Minuten wird der Hohlweg
vor der Tür ein reißender Wildbach sein. Gehen wir besser in mein trautes
Heim.“
    Im Preßhaus saßen der Lehrer und der Gendarm einander
gegenüber. Lange war nur das Rauschen des Regens zu hören. Dann gab sich Franz
Fürst einen Ruck. „Sie werden wissen wollen, was ich von den Lausbübereien,
über die wir schon geredet haben, neuerdings halte?“
    „Ja.“
    „Ich bin ratlos, wirklich. Am liebsten würde ich Sie
jetzt mit einer schlauen Lüge ruhigstellen, Herr Gendarm.“ In diesem
Augenblick erhellte der Widerschein eines Blitzes die Türöffnung, und Sekunden
später folgte ein gewaltiger Donnerschlag.
    Franz Fürst lachte. „War vielleicht doch keine gute
Idee, das mit der Lüge. Dann also eben die

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