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Himmel, Polt und Hölle

Himmel, Polt und Hölle

Titel: Himmel, Polt und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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Wahrheit, oder ein Stück davon. Die
Sache mit dem gestohlenen Hahn des Pfarrers habe ich erst durch die Karin
Walter erfahren. Was die anrüchige Verzierung des Gemeindeamtes und das Feuer
im Zeughaus angeht, weiß ich allerdings, wer es war. Bin ja oft genug nachts
unterwegs gewesen, in den letzten Wochen.“
    „Und?“
    „Nichts und. Das tote Reh war ein arger Schock für mich, und Amalie
Pröstlers groteskes Ende hat mir wohl für immer den Boden unter den Füßen
weggezogen.“
    Polt stand auf und holte das Foto, das ihm vorhin
aufgefallen war. „Ist sie das?“
    „Ja. Vor tausendundeiner Ewigkeit. Ich versuche es
mit einem Gedankenspiel, Inspektor, damit Sie verstehen. Nehmen wir einmal an,
ich wäre der Fäkalanarchist und der nonkonformistische Zündler gewesen.“
    Der Gendarm schaute überrascht auf. „Ziemlich viele
Fremdwörter, nicht wahr?“
    „Sie verstehen mich schon. Die beiden Untaten passen
doch recht gut zu mir. Antiautoritär war ich auch schon in meiner gut
frisierten Zeit. Daran konnten Anzug und Krawatte nichts ändern. Mein
Hinausschmiß aus der Schule könnte die latente Abneigung gegen dörfliche
Institutionen dann zum Haß gesteigert haben.“
    „Und warum sind Sie dann nicht auf die Schule losgegangen?“
    „Weil sie immer noch ein Stück von mir ist. Das kann
ich aber weder vom Gemeindeamt noch von der Feuerwehr behaupten. Außerdem
enthemmt Alkohol, und daß ich für ziemlich weitgehende Scherze schon immer Sinn
hatte, werden Ihnen meine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen bestätigen.“
    „Ich glaub es auch so. Aber worauf wollen Sie
hinaus?“
    „Kommt schon noch. Erst einmal biete ich Ihnen ein
überzeugendes Indiz an, Herr Gendarm.“ Fürst kramte in einer Schachtel und
überreichte seinem Gegenüber dann ein schmales Heft.
    „Da schau her!“ Polt starrte verblüfft auf die
vertraute Zeichnung eines Federhutes. Im Gegensatz zu den Skizzen, die er
bisher gesehen hatte, war diese allerdings durch ein seltsames Wort ergänzt:
Revolit.
    Der Lehrer nahm Polt die kleine Broschüre aus der
Hand. „Ich will Ihnen das Heft nicht geben, Herr Inspektor. Es ist
wahrscheinlich das letzte Exemplar, und es war einmal sehr wichtig für mich.
Nur soviel: Revolit steht für Rücksicht, Ehrlichkeit, Vertrauen, Opfer, Liebe,
Initiative und Treue. Wir Lehrer haben dieses Wort damals als radikalen Aufruf
dafür verstanden, stärker zu werden und andere stärker zu machen. Negativ
betrachtet war unser Feindbild das konservative und autoritäre System.“
    „Das ist lange her, wie?“
    „Sehr lange. Unsere Ideale von damals habe ich
versoffen und verraten. Nur von der boshaften Verrücktheit ist noch etwas da.
Also noch einmal: Angenommen, ich wäre der Missetäter. Paßt es dann auch zu
mir, ein Reh in der Falle verenden zu lassen und die Pfarrersköchin in einen
stundenlangen Todeskampf zu schicken?“
    „Nach allem, was ich weiß, nein.“
    „Sehen Sie, Inspektor, das ist der Punkt. Wer auch
immer gegen Gemeinde, Feuerwehr und Pfarrer aufgemuckt hat — ich kann mir
nicht vorstellen, daß zu den beiden tödlichen Verbrechen eine Verbindung
besteht. Und darum darf ich Ihnen nicht verraten, was ich weiß.“
    „Und die Zeichnung des Hutes an den Tatorten?“
    „Stammt natürlich von mir. Ich habe mich nachträglich
mit der Aggression des Täters oder der Täterin solidarisch erklärt.“
    „Sie machen es mir nicht gerade leicht, Herr Fürst.
Etwas anderes. Sie haben doch auch Botanik unterrichtet. Wissen Sie, ob bei
uns hier im Wiesbachtal Tollkirschen wachsen?“
    „Und ob ich das weiß! Ich kann Ihnen sogar eine
Stelle zeigen. Die Atropa Belladonna mag es sonnig, außerdem bevorzugt sie
Kalkböden. Auf dem Grünberg gibt es einen ehemaligen Steinbruch. Ich war oft
mit Schulkindern dort. In den Granit mischen sich Ablagerungen von
Rotalgenkalk. Das Gebiet lag also vor etwa 20 Millionen Jahren dicht unter dem
Wasserspiegel.“
    „Wieder was dazugelernt. - Mir scheint, es hat aufgehört
zu regnen.“
    Die beiden traten ins Freie. Der nasse Boden
dampfte, die Luft roch frisch. Franz Fürst atmete tief ein. „Schön ist es jetzt
hier. Einfach schön.“
    „Sie gehen also nicht unter die Erde zurück?“
    „Nein. Ich werde mich sogar nach Möglichkeit in
einen gesellschaftsfähigen Menschen verwandeln.“
    „Warum denn das?“
    „Für den Kirchgang, am Sonntag.“
    „Sie?“
    „Ja, ich. Möchte doch zu gerne hören, was mein ganz
spezieller Freund, der Herr Pfarrer, zu predigen

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