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Himmel, Polt und Hölle

Himmel, Polt und Hölle

Titel: Himmel, Polt und Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Komarek
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Sitzbank? Schäbig, aber gemütlich.“
    Karin nahm schweigend Platz und drückte sich in eine
Ecke, als wollte sie sich verkriechen.
    Polt war hinter sie getreten und legte seine Hände
auf ihre Schultern. „Wenigstens für ihn ist Schluß mit der Quälerei.“
    Karin nickte. Dann spürte Polt ein Zittern. Sie
griff nach seiner rechten Hand. „Komm, du. Setz dich zu mir.“
    „Erzähl, Karin. Oder geht das nicht?“
    „Doch, ja. Ich habe den Franz besuchen wollen, heute
abend. Auf seiner Wiese war er nicht, auch nicht im Keller oder im Preßhaus.
Ich habe ihn dann in der Hütte über dem Dach gefunden, Neben seinem alter ego, diesem
Papiergerippe, du weißt. Ganz friedlich und entspannt ist er dagelegen, ein
paar leere Flaschen neben sich. Gehirnschlag, aller Wahrscheinlichkeit nach, sagt
der Dr. Eichhorn.“
    Jetzt erst bemerkte Polt, daß Karin ihre linke Hand
zur Faust geballt hatte. „Was hast du denn da?“
    „Geht dich nichts an!“
    „Glaub ich schon.“ Vorsichtig, aber energisch bog
Polt Karins Finger auseinander und hielt dann ein zusammengeknülltes Stück
dünnen Kartons in der Hand.
    „Eine Spielkarte. Pique Dame, so etwas wie sein
Idol“, erklärte die Lehrerin resignierend. „Er hat sie immer bei sich getragen
und die wildesten Dinge hineininterpretiert.“
    „Und warum hast du sie mitgenommen?“
    „Weil etwas drauf steht. Lies selbst.“
    Polt glättete die Karte. Ich war es, las er
halblaut. „Die Handschrift vom Franz, nicht wahr?“
    „Ja. Und der Text kann alles oder nichts bedeuten,
Simon. Vielleicht war's die letzte von seinen Gedankenspielereien, oder ein
Hinweis darauf, daß er sich seinen Tod selbst zuzuschreiben hat.“
    „Oder eben mehr. Ein Universalgeständnis, so unwahrscheinlich
mir das auch vorkommt. Aber vielleicht wollte er damit jemand decken? Du hast
jedenfalls wichtiges Beweismaterial verschwinden lassen, Karin.“
    „Ja, hab ich. Sehr schlimm?“
    „Sehr schlimm. Und wahrscheinlich das Klügste, was
du tun hast können. Nicht auszudenken, was unserem Herrn Kratky zu einem
solchen Dokument alles einfallen könnte.“
    „Und wohin jetzt damit?“
    Polt steckte die Karte in seine Hemdtasche. „In halbamtliche
Verwahrung. Wenn es notwendig werden sollte, finde ich sie eben irgendwo.“
    „Na, ich kenn Leute!“
    „Nicht wahr? Und jetzt denken wir einmal ganz feierlich
darüber nach, was sich der Franz von uns wünschen könnte.“
    „Ganz bestimmt, daß wir ihn nicht nur so sehen, wie
er in den letzten Jahren war, Simon.“
    „Da mußt du mir helfen, Karin. Laß hören!“
    „Na, vieles weiß ja auch ich nur von Kollegen. Stell
dir einen idealistischen jungen Mann vor, der sogar einmal Pfarrer werden
wollte. Den Lehrberuf hat er aber um nichts weniger ernst genommen. Pestalozzi
war sein großes Vorbild. Autorität war ihm zuwider, die hat er aber auch nie
gebraucht, weil ihn seine Schulkinder geliebt und verehrt haben. Ganz im
Gegensatz übrigens zu manchen Vorgesetzten. In meinen Augen ein Lehrer ohne
Fehl und Tadel, Simon.“
    ,Aber doch recht unkonventionell, alles in allem.“
    „Natürlich. Eigentlich war er auch schon in seiner
überkorrekten Zeit ein lupenreiner Exzentriker. Eine bürgerliche Erscheinung
mit einem Hang zur Anarchie. Auf der einen Seite zum Beispiel sein
Frühstückszeremoniell mit Kerzenlicht und klassischer Musik vom Plattenspieler,
auf der anderen oft ziemlich rüde Scherze. Stan Laurel und Oliver Hardy waren
nicht von ungefähr seine Lieblingsschauspieler. Einmal hat der Direktor
angeordnet, eine uralte ausgestopfte Kröte endlich wegzuwerfen. Der Franz hat
sie mit Schwarzpulver gefüllt und im Kollegenkreis feierlich gesprengt. Und
dann hat er wieder von seinem mageren Gehalt für die Schule einen Fernseher
gekauft, Fahrräder und sogar einen VW-Bus. Wo Liebe rechnet, da wird sie arm,
hat er gerne und oft Shakespeare zitiert.“
    Polt überlegte. „Jaja. Und dann hör ich ihn noch
sagen, ausnahmsweise autoritär: Nach meinem Tod sollen meine Freunde essen und
trinken und mich gefälligst hochleben lassen!“
    „Meinst du wirklich? Ich glaube nicht, daß ich einen
Bissen hinunterbringe. Andererseits: Recht hast du, das könnt schon zu ihm
passen.“
    Polt war aufgestanden. „Na also. Wir fressen uns einfach
durch den Junggesellenkühlschrank. Was haben wir da schönes? Butterkäse und
Essiggurkerl, Selchfleisch und Sardellenringerl, Knoblauchwurst und
Bienenhonig, Holundersaft von der Frau Kurzbacher, Speck von der

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