Himmel, Polt und Hölle
erkennt, daß er die Amalie sehr gern hat oder sogar
liebt. Frauen spüren so was, hab ich mir sagen lassen. Zur alten Eifersucht
kommt also plötzlich ein neuer Schmerz.“
„Und sie gibt Gift in die Flasche oder tauscht sie
mit einer aus, die sie zu Hause präpariert hat. Problem wär's keines. Aber tut
das eine fromme Frau?“
„Frag mich was Leichteres. Ich werd noch einmal mit
dem Pfarrer reden müssen. Eine andere Frage, Firmian. Kennst du den Peter
Paratschek, den Wiener?“
„Den? Ich bin so ziemlich der einzige, der ihn noch
in den Keller einlädt. Macht sich nicht gerade beliebt mit seiner Art. Vor ein
paar Tagen erst war er hier und ist über den Kameradschaftsbund hergezogen.“
„Geht er am Sonntag in die Messe?“
„Früher hat er sogar die Fürbitten gelesen. Seit ein
paar Jahren ist er ausgetreten, wegen der Kirchensteuer. Warum fragst du?“
„Nur so.“
„Dann komm einmal mit. Ich laß dich was Besonderes
kosten.“
In einem mit Ziegeln ausgemauerten Seitengang stand
ein kleineres Faß. Der Mesner strich bedächtig mit der Hand darüber. „Da hab
ich seit drei Jahren einen Blauburger drin. War schön kräftig, als ich ihn
eingefüllt habe. Wollte wissen, wie er sich so entwickelt.“ Firmian Halbwidl
füllte erst den Weinheber, dann die Gläser. Feierlich hob er das seine.
„Ordentlich dicht ist er.“ Dann führte er das Glas zur Nase, zuckte zusammen
und kostete rasch. Im nächsten Augenblick schmiß er das Glas gegen die Wand und
wandte sich ab.
„Was ist, Firmian? Geht's dir nicht gut?“
„Der ist hin. Essigstich! Das gibt es nicht, das
kommt nicht von selber. Nicht bei diesem Wein.“ Der Mesner drehte sich um. Sein
Gesicht hatte scharfe Konturen bekommen, die Lippen zitterten, er hatte den
Finger von der Öffnung des Weinhebers genommen, sein rechtes Hosenbein glänzte
naß. „Wer tut mir so was an, Simon?“
Der
Tod und das Mädchen
„Ein Essigstich sagst du? Bei einem Blauburger, drei
Jahre im Faß und vor zwei Wochen noch in Ordnung? Da geb ich dem Halbwidl
allerdings recht.“ Der Höllenbauer saß am Küchentisch, Polt ihm gegenüber.
.Angenommen, jemand legt es darauf an, den Wein zu
verderben - wie soll das funktionieren?“
„Ein halber Liter Essigsäure aus der Drogerie und
fertig. Eine schwere Gemeinheit. Kann einem leid tun, unser Sakristeidirektor.
Hat fast nichts zum beißen, und dann auch noch das. Wie geht's weiter?“
„Die Kollegen von der Kriminalabteilung und auch die
Weinbauschule haben Proben bekommen. Aber es wird schon stimmen, was du sagst.“
„Und wer den Wein vom Mesner ruiniert hat, wird auch
den Giftsaft in den Wein gemischt haben, meinst du?“
„Ist doch irgendwie logisch.“
„Und warum das alles?“
„Manchmal mein ich, daß ich es lieber nicht wissen
möchte.“
„Dann hast aber den falschen Beruf, Simon.“
„Sag ich mir auch. Alsdann. Gute Nacht, Ernstl. Wo
sind übrigens deine Frau und die Kinder?“
„Beim Fernsehen.“
Simon Polt ging zu seiner Wohnung im rückwärtigen
Teil des Hofes. Ob der Firmian noch immer in seinem Keller stand, in seinem
nunmehr entweihten Königreich? Polt sperrte die Tür auf, streichelte
gedankenverloren seinen Kater, fütterte ihn, setzte sich ans offene Fenster und
dachte nach. Plötzlich spürte er einen bitteren Geschmack im Mund. Unwillig
schüttelte er den Kopf, holte tief Atem und stand auf. Er ging nach draußen, in
den Hof. Das Licht aus dem Fenster fiel auf Sträucher, hohes Gras und Unkraut.
Der alte Höllenbauer hatte hier einen kleinen Gemüsegarten gepflegt, bis er vor
ein paar Jahren gestorben war. Simon Polt ließ alles verwildern, und es gefiel
ihm gut so. Grillen zirpten, oder waren es Heuschrecken? Irgendwo raschelte ein
Igel im Laub.
Dann hörte Polt Schritte von der Hoftür her. Gleich
darauf erkannte er Karin Walter. Sie kam langsam näher, bewegte sich anders als
sonst. Eine Armeslänge von Polt entfernt blieb sie stehen.
„Karin! Was ist?“ Er schaute in ein vertrautes,
fremdes Gesicht.
„Tot ist er.“ Die Stimme der Lehrerin klang dünn.
„Dr. Eichhorn und deine Kollegen sind bei ihm, ich habe meine Aussage gemacht.
Du brauchst nichts zu tun, Simon.“
Polt streckte seine Hand nach Karin Walter aus, sie
wich zurück. „Laß mich. Ich geh dann.“
„Ich laß dich nicht. Und du bleibst.“
„Ich weiß nicht.“
„Komm ins Haus, Liebes, bitte!“
Zögernd ging sie auf die helle Türöffnung zu, Polt
folgte ihr. „Wie wär's mit der
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