Himmel uber Langani
Arbeiter können sich glücklich schätzen. Aber die meisten Europäer halten Afrikaner immer noch für minderwertig, faul und unfähig, ein demokratisches Land zu regieren. Ich habe dieses Buch von Jomo Kenyatta gelesen: Facing Mount Kenya. Seither weiß ich, dass hier ein Stammessystem herrschte und dass wir einfach eingedrungen sind und es zu unserem Vorteil verändert haben. Wie kann man von den Afrikanern erwarten, dass sie widerstandslos eine Reihe von ihnen völlig fremden Gesetzen akzeptieren?«
Piet zügelte sein Pferd und warf Sarah einen grimmigen Blick zu. »Komm schon, Sarah, ich habe Kenyattas Buch auch gelesen. Sogar Hannah kennt es. Aber du willst mir doch nicht allen Ernstes erzählen, dass der Aufstand der Mau-Mau gerechtfertigt war? Diese Mistkerle haben Tausende gefoltert und auf schlimmste Art und Weise ermordet. Die meisten Opfer waren unschuldige Afrikaner ihres eigenen Stamms. Willst du mir etwa sagen, du empfindest Mitgefühl für sie? Dass sie ein Recht dazu hatten?«
»Nein. Nein, natürlich nicht.« Sarah wurde nervös. »Der Mau-Mau-Aufstand mit den Massakern war ausgesprochen barbarisch. Aber ich glaube, es gibt keine Revolution auf dieser Welt, die nicht in Blutvergießen ausartete, bevor sie akzeptiert wurde. Auf diese Weise ist auch Kenyatta ein hochangesehener Staatsmann geworden, nicht wahr? Er ist ein schlauer alter Fuchs.«
»Und er wurde von Briten ausgebildet.« Piet warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Unterrichtet von den Männern, denen er nach seiner Rückkehr die Stirn geboten hat. Aber einige Afrikaner, die im Ausland die gleiche Ausbildung genossen hatten, entwickelten sich dann zu Unruhestiftern. Sie kamen zurück und nutzten ihr Wissen, um sich eine Machtbasis zu schaffen. Und sie scheren sich einen Teufel darum, ob sie damit das Land destabilisieren oder die Beziehungen zwischen Schwarzen und Weißen zerstören. Sie sind nicht daran interessiert, im Geist von harambee zusammenzuarbeiten. Auf allen Seiten gibt es Gutes und Schlechtes.«
»Du hast Recht«, stimmte Sarah ihm zu. »In Irland mit seinem schrecklichen Nord-Süd-Konflikt ist es nicht anders.«
»Wahrscheinlich. Und wenn Kenyatta das vollkommene Reich der Stammesherrschaft vergangener Tage beschreibt, dann kannst du verdammt sicher sein, dass dabei einige unangenehme Wahrheiten wie Betrug, Mord und Bestechung unter den Tisch fallen. Es gibt keine Gesellschaft, die frei davon ist – außer man glaubt an eine, wo alle ein weißes Gewand und Flügel tragen und den ganzen Tag über Harfe spielen.«
»Wahrscheinlich idealisiere ich die Dinge gerne und träume davon, dass sie tatsächlich vollkommen sein könnten.« Sarah lächelte zerknirscht. »Ist das so schlimm?«
Er legte seine Hand auf ihre und sah sie mit gespieltem Ernst an. »Ich finde deinen Idealismus sehr wohltuend, Sarah Mackay«, sagte er. »Du hältst an deinen Werten fest, Mädchen, und an deinem Glauben an die Menschheit. Du siehst immer mehr als die anderen.« Er beugte sich vor und strich ihr eine lose Haarsträhne hinter das Ohr. »Deshalb wollte ich auch, dass du meine Lodge als Erste siehst. Sie ist fast fertig. Lars und ich haben wie Schwarze geschuftet. Verzeihung, wie Sklaven. Klingt das besser? Oder schlechter?«
Er lachte, und sie hätte gern mit eingestimmt, doch es kostete sie Mühe, regelmäßig zu atmen. Als er ihre Wange berührte und ihr lächelnd in die Augen sah, schienen sich ihre Gliedmaßen aufzulösen, und sie traute ihrer Stimme nicht mehr.
»Also, du wirst mir zuerst sagen, was du siehst.« Er schien ihr Schweigen nicht bemerkt zu haben. »Du bist meine Prophetin, Sarah. Meine persönliche Seherin. Ich weiß, dass dir dieser Ort sehr gut gefallen wird. Du wirst sofort begreifen, worum es mir hier geht.«
Sarah griff nach seiner Hand und führte sie an ihre Wange. Eine Sekunde lang schloss sie die Augen und stellte sich vor, dass sie aus dem Sattel gleiten und in seine Arme sinken würde. Wie konnte er wissen, was sie für diesen Ort empfand, aber nicht spüren, wie sehr sie ihn liebte?
»Sarah? Geht es dir gut?« Er sah sie besorgt an und war erleichtert, als sie die Augen öffnete. »Einen Moment lang dachte ich, du würdest in Ohnmacht fallen. Liegt es an der Sonne?«
Sarah spürte, wie ihre Wangen sich verräterisch röteten, nahm hastig die Zügel in die Hand und lachte gezwungen. »Natürlich nicht. Ich habe mich nur in die Rolle der Seherin versetzt, um in deine Zukunft zu schauen.«
»Und was hast du
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