Himmel uber Langani
dafür blieb noch genügend Zeit, wenn sie Anthony wiedergesehen hatte. Sie würde Zeit für alles haben, was wirklich zählte. Und jetzt musste sie sich erst einmal ausschlafen, sonst würde sie am Morgen schrecklich aussehen.
Als die Morgendämmerung den Raum mit safranfarbenem Licht durchflutete, waren sie bereits wach. Am Rand des Horizonts erhob sich der Berg stolz und schweigend, zunächst als dunkle Silhouette, deren Umrisse langsam im blauen Dunst versanken, während die Sonne an der unendlichen Weite des Himmels über Afrika emporstieg. Mwangi servierte ihnen Papayas und saftige Limonen, anschließend frischen Kaffee und Schüsseln mit dampfendem Porridge, der in dicker Sahne aus Hannahs Molkerei schwamm.
»Ich sage euch, diese Kühe geben mehr Milch und bessere Sahne als je zuvor, seit ich die Molkerei übernommen habe«, erklärte Hannah stolz. »Das stimmt doch, nicht wahr, Lars?«
»Es hängt offenbar damit zusammen, wie sie mit ihnen spricht.« Lars lächelte zerknirscht. »Anscheinend verstehen sie kein Norwegisch, und mein Afrikaans ist nicht besonders gut. Aber ich kann Kronenkraniche verscheuchen, wenn sie bei ihrem Hochzeitstanz die Weizenfelder zertrampeln, und ich finde garantiert die richtigen Worte, um einen Büffel zu vertreiben. Ich kann auch die Kikuyu und Massai beschimpfen, die ständig unsere Grenzzäune klauen.«
»Wer ist dieser Simon, über den Piet gestern Abend sprach?« Camilla nahm sich eine weitere Portion Porridge. »Übrigens brauche ich das, um den Schock zu verarbeiten, wenn ich um diese Uhrzeit aufstehen muss.«
»Für deinen nächsten Fototermin wirst du dir wohl größere Kleidung zulegen müssen«, meinte Sarah.
»Wenn kümmert das?« Camilla fuhr mit dem Löffel durch die Luft. »Bringt mir noch mehr Sahne und Zucker. Und Speck mit Eiern, und Toast und ein kaltes Bier vor dem Mittagessen. Ach ja, und zum Tee am Nachmittag Honig von euren Bienen, Han. Also, was ist mit diesem Simon?«
»Er ist ein junger Kikuyu, den ich eingestellt habe«, erklärte Piet. »Simon soll sich um die Rezeption der Lodge kümmern – natürlich unter Hannahs wachsamem Auge. Aber bisher macht er sich sehr gut.«
»Du solltest deine Begeisterung für den Jungen im Zaum halten, Piet«, warnte ihn Hannah. »Du siehst immer nur das Beste in den Menschen, aber manchmal muss man genauer hinschauen. Man kann ihnen nicht über den Weg trauen. Vor allem in dieser Zeit. Sieh dir den alten Kamau an. Seit über fünfundzwanzig Jahren ist er Koch auf Langani und gehört praktisch zur Familie. Aber er ist immer noch verärgert, weil du Simon den Job gegeben hast, den er sich für seinen Sohn gewünscht hatte. Kamau kann das einfach nicht begreifen – seit Wochen schmollt er deswegen.«
»Aber hat sich seit der Unabhängigkeit nicht einiges verändert?«, fragte Sarah. »Die Afrikaner haben doch jetzt bessere Ausbildungschancen als je zuvor. Sie haben die Möglichkeit, ein Geschäft zu eröffnen, als Manager in der Touristikbranche zu arbeiten oder Farmen wie Langani zu führen.« Sie warf einen Blick in die Runde und war erstaunt, als Hannah zornig ihre Serviette auf den Tisch warf.
»Das ist genau das, was wir von den Neuankömmlingen hören, die alles zu wissen glauben, aber keine Ahnung von der Denkweise der Afrikaner haben«, entgegnete sie. »Sie scheren sich einen Teufel um das Farmland und seinen Schutz. Man denke nur daran, was Piet Anfang des Jahres passiert ist – er hat einigen Massai erlaubt, während der Dürre ihr Vieh auf unserem Grund grasen zu lassen. Mit einem Mal tauchten zehn rafikis auf, und Tausende ihrer knochigen, kranken ngombes, Schafe und Ziegen tummelten sich auf unseren Weiden. Er musste wie ein Wilder kämpfen, um sie wieder loszuwerden, und wurde auch noch mehrmals bedroht. Das war der Dank für seine Freundlichkeit. Daran sieht man, was sie von Farmen verstehen.«
»Aber was wäre mit dem Vieh geschehen, wenn ihr es nicht auf euer Land gelassen hättet?«, wollte Sarah wissen. »Wenn es verhungert wäre, hätte das doch auch zu Problemen geführt.«
»Sie haben ohnehin ein permanentes Problem geschaffen«, entgegnete Hannah zornig. »Die Massai sind gerissen und gierig. Sie halten zu viel Vieh im Verhältnis zu den Weidegründen und sind nicht bereit, auch nur eines dieser klapprigen Biester aufzugeben, damit das Land sich nicht in eine verdammte Staubwüste verwandelt.«
»Viele Leute haben romantische Vorstellungen von Massai-Kriegern mit Speeren, die hin und
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