Himmel uber Langani
viel weiter bringen, wenn er in einem großen Krankenhaus in England eine Facharztausbildung begänne. Natürlich stimmt es, dass er auf diese Weise zu einer voll eingerichteten Praxis kommt. Aber er wird Dad zur Hand gehen. Also zieh keine voreiligen Schlüsse, Sarah. Die Gesundheit deines Vaters steht an erster Stelle. Würden wir noch fünf oder zehn Jahre in Kenia bleiben, wäre es zu spät für eine große Veränderung, bevor er sich zur Ruhe setzen muss. Der Zeitpunkt für einen Neuanfang ist günstig. Du hast das Haus doch immer geliebt, obwohl du seit Großvaters Tod nicht dort gewesen bist. Du wirst sofort sehen, dass es sich wunderbar für uns eignet. Zwar gibt es noch viel zu tun, aber einige Zimmer haben wir schon gemütlich eingerichtet, während die Handwerker noch an der Arbeit sind.«
Auf der restlichen Fahrt hüllte sich Sarah in Schweigen. Sie wollte das Wiedersehen nicht verderben und hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie nach Kenia zurückkehren wollte, während ihre Eltern diesen Lebenstraum aufgeben mussten.
Das alte Haus stand einige Kilometer außerhalb von Sligo über der Donegal Bay. Ein abschüssiger Rasen reichte hinunter bis an den langen weißen Strand und die Dünen von Streedagh. Hinter ihnen erhob sich der Ben Bulben, dessen abgeflachter Gipfel ins Meer hinausragte wie der Bug eines riesigen Schiffes. Das ansehnliche Bauwerk im georgianischen Stil befand sich auf einem großen Grundstück mit Stallungen. Allerdings war das Mauerwerk feucht. Gleichgültige Mieter hatten das Gebäude in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Nun würde es zum Mittelpunkt eines neuen Lebensabschnitts werden. Sarah war erstaunt, wie rasch ihre Eltern sich entschieden hatten. Es kränkte sie sehr, dass man sie nicht einbezogen hatte. Während ihrer kurzen Abwesenheit hatte Raphael seinen Vertrag im Ausland aus gesundheitlichen Gründen aufgelöst, eine Abfindung kassiert und beschlossen, in Irland eine Hausarztpraxis zu eröffnen.
Vier Tage nach ihrer Ankunft eröffnete Sarah den Eltern ihre eigenen Pläne. Sie hatte einen langen Tag an der Universität verbracht, um über ihre Zukunft zu sprechen, und den Dekan gefragt, ob sie das Magisterstudium nicht ein wenig später aufnehmen könne. Es war nicht leicht gewesen, ihn zu überzeugen.
»Ich habe eine Stelle in Kenia gefunden«, erklärte sie ihren Eltern. »Und zwar in einem Forschungsprojekt in Buffalo Springs, das sich mit Elefanten befasst. Das Projekt wird von Dan und Allie Briggs geleitet, und sie sind bereit, mich als Assistentin einzustellen. Ich bekomme in ihrem Camp Kost und Logis, ein Auto und ein kleines Gehalt. In ein paar Wochen kehre ich dorthin zurück.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein!«, rief Betty entsetzt.
Raphael rutschte auf dem Sofa herum und räusperte sich lautstark, ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass er sich unwohl fühlte oder eine Auseinandersetzung vermeiden wollte. Plötzlich war er voll und ganz damit beschäftigt, seine Pfeife zu stopfen, und gab keinen Ton von sich.
»Ich meine es völlig ernst.« Sarah reckte trotzig das Kinn. »So ein Überfall passiert schließlich nicht alle Tage. Wahrscheinlich finden in Dublin täglich mehr Raubüberfälle statt als in Kenia. Außerdem wohne ich ja nicht in Nairobi oder Langani, sondern draußen im bundu , wo ich als mittellose Forschungsassistentin die Elefanten beobachten werde. Niemand wird etwas von mir wollen.« Allerdings verschwieg sie, dass die Erinnerungen an die schreckliche Nacht in Langani ihr noch immer lebhaft vor Augen standen. Selbst in Irland konnte sie die Nächte nur schwer ertragen.
»Ich verstehe nicht, warum du nicht zuerst dein Studium hier beendest.« Betty stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Die Entschlossenheit ihrer Tochter machte ihr sichtlich zu schaffen. »Du hast ein glänzendes Examen gemacht und nun ein Angebot von der Universität erhalten, nach dem sich die meisten Studenten die Finger ablecken würden. Bei deiner Begabung wäre es verrückt, diese Chance abzulehnen, Sarah. Du bist doch sonst so vernünftig.«
»Ihr habt euch doch auch entschieden, hier zu bleiben. Außerdem habe ich nicht gesagt, dass ich mein Studium abbrechen will. Ich habe nur um ein Jahr Urlaub gebeten, um Erfahrung in der Praxis zu sammeln. Als der Dekan das Informationsmaterial sah, hat er mich sogar dazu ermutigt. Ich habe ihm eine Kopie der Studie vorgelegt, die Dan und Allie Briggs gerade durchführen.« Sie wusste, dass die Wahrheit
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