Himmel uber Langani
sichtbar, war mit einem Gartentisch und Stühlen mobliert.
»Wunderschön, nicht wahr?«, sagte Marina. »Ich bin sehr gerne hier. In der Dose dort ist Rosinenkuchen, falls du Hunger hast. Du wirst es nicht glauben, aber ich habe ihn letztes Wochenende selbst gebacken. Ich bin sicher, dass er noch gut ist. Im Kühlschrank steht Milch, und das Alltagsgeschirr findest du im Schrank über der Spüle.« Camilla bereitete den Tee zu und schenkte zwei Tassen ein.
»Gehen wir zum Kamin«, schlug Marina vor.
Schweigend setzten sie sich, lauschten dem Knistern des Feuers und wussten nicht, wie sie den Anfang machen sollten.
»Leukämie ist ein scheußliches Wort«, begann Marina schließlich. »Eine bösartige Erkrankung des Knochenmarks und des Blutes, für die es keine Heilung gibt. Ich fühle mich wie eine Figur in der Oper, die hilflos ihr eigenes Siechtum mit ansehen muss. Nur mit dem Unterschied, dass ich nicht singen kann.«
»Wann hast du es erfahren?«
»Vor einem guten Monat.«
»Weiß er es?«
»Ja. Seit der Arzt es uns mitgeteilt hat, war er so oft wie möglich bei mir. Wir haben es erfahren, als er das letzte Mal aus Nairobi zurückkam. Kurz nachdem du dich dort mit ihm getroffen hattest. Er erzählte mir, wie wundervoll du nach deinem Aufenthalt an der Küste ausgesehen hast.« Ihre Stimme klang traurig.
Camilla konnte nichts darauf erwidern. Sie trank ihren Tee, starrte auf ihre Tasse und wich dem Blick ihrer Mutter aus.
»Er meinte, du seist verliebt und würdest förmlich strahlen. Ich wünschte, du hättest es mir gesagt«, fuhr Marina fort. »Er ist sehr lieb und aufmerksam zu mir, serviert mir das Frühstück im Bett und geht an guten Tagen mit mir in Restaurants oder ins Theater. Die Wochenenden verbringe ich meistens hier, und er hat den Großteil seiner Verabredungen abgesagt, um mir Gesellschaft zu leisten. Doch letzte Woche musste er in die Niederlande. Prinz Bernhard ist Schirmherr der Organisation, und einen Termin mit einem gekrönten Haupt kann man ja schlecht platzen lassen.«
Camilla konnte kaum glauben, dass ihre früher so überempfindliche und manchmal hysterische Mutter das Todesurteil so gefasst hinnahm. Nun verstand sie, wenn auch zu spät, dass Marinas häufige Niedergeschlagenheit Ursachen gehabt hatte, die sich ihrem Einfluss entzogen. Die gesellschaftliche Stellung war das Einzige gewesen, was ihr die Möglichkeit gab, nach außen hin ein normales Leben zu führen. Nichts hatte sie auf den Weg vorbereitet, für den sie sich entschieden hatte. Nirgendwo hatte sie Sicherheit und Halt gefunden. In ihrer Ehe war sie einsam und verlassen gewesen und hatte sich gedemütigt gefühlt. Sie hatte um ihren Mann gebangt, die Abhängigkeit von ihm gehasst und ihn trotz allem geliebt.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Camilla war völlig ratlos. »Kann ich etwas tun? Wie geht es dir jetzt? Hast du Schmerzen?«
»Meistens fühle ich mich nur müde. Und wenn ich mich überanstrenge, werde ich kurzatmig. Immer wieder bekomme ich Fieber, und meine Gelenke tun weh, als ob ich Grippe hätte. Außerdem bin ich froh, dass wir nicht Hochsommer haben und ich nicht in kurzen Ärmeln und ohne Strümpfe herumlaufen muss. Meine Haut sieht nämlich scheußlich aus – Blutergüsse und hässliche Flecke und außerdem eine Schnittwunde, die einfach nicht heilen will. Kein hübscher Anblick.«
»Ich finde, du bist so schön wie noch nie.« Camilla war den Tränen nahe. Rasch stand sie auf. »Möchtest du dich hinlegen, während ich ins Dorf gehe und etwas zu essen einkaufe? Der Kühlschrank ist fast leer.«
»Ich würde mich freuen, wenn du mir erzählst, in wen du dich verliebt hast und ob du glücklich bist.«
»Ich fürchte, das ist schon wieder vorbei. Nur eine Affäre. Wahrscheinlich hat Daddy dir gesagt, dass es Anthony Chapman war. Aber ich habe einen Fehler gemacht.«
»Liebst du ihn doch nicht?«
»Ich bin ganz fürchterlich in ihn verknallt. Das Problem ist nur, dass er keine Lust hat, sein Leben zu ändern und eine feste Beziehung einzugehen. Ich habe mich wie die Heldin eines Groscheurromans benommen. Du weißt schon, der große weiße Jäger, ein Abenteuer im Busch, leidenschaftliche Nächte in Zelten, weißes Mondlicht über der Savanne und brüllende Löwen. Ich bin darauf hereingefallen. Ach, wie war ich naiv!«
»Es tut mir Leid, dass du gekränkt worden bist, Liebes. So vieles tut mir Leid, das sich jetzt nicht mehr gutmachen lässt. Aber ich liebe dich, Camilla. Ich liebe
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