Himmel uber Langani
gesehen hatte. Draußen erstreckte sich ein riesiger Rasen, der von Sträuchern und einem Rosengarten umrahmt wurde. Als sie das Fenster öffnete, strömte kalte Luft mit süßem Blumenduft herein.
Während der gesamten Schulzeit hatte Camilla nie eines der Mädchen zu sich nach Hause gebeten, und Sarah hatte die Einladung neugierig und ohne Zögern angenommen. Aber der Anblick von Piet und Camilla im Mondschein hätte ihre Freundschaft beinahe beendet. Es war eine Qual gewesen, als sie sich am nächsten Morgen während des Ausritts bemühen musste, fröhlich zu wirken und scheinbar unbefangen mit Piet zu plaudern, als sei nichts geschehen. Den ganzen verpfuschten Tag lang hatte sie darum gekämpft, ihren Schmerz und ihre Erbitterung zu verbergen. Nach der Rückkehr in die Schule wurde das Gefühl, verraten worden zu sein, noch stärker. Sie wartete darauf, dass Camilla den Vorfall erwähnen und ihr eine Erklärung dafür geben würde. Doch nichts dergleichen geschah. Camilla schien ihre Reserviertheit nicht zu bemerken, und obwohl Sarah manchmal vor Wut kochte, wollte sie sie nicht direkt darauf ansprechen. Sie versuchte sich einzureden, dass Piet in ihr nie etwas anderes gesehen hatte als eine kleine Schwester, doch dadurch verstärkte sich ihre Eifersucht nur noch mehr. Dann begannen die Prüfungen. Sarah verdrängte alles andere aus ihren Gedanken und verbrachte jede freie Minute über ihren Büchern, bis sie eines Abends ihre Biologieaufzeichnungen nicht finden konnte.
»Ich habe sie mir gestern geborgt«, sagte Camilla. »Es macht dir doch nichts aus, oder?«
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. »Verdammt, es macht mir aber etwas aus«, brüllte Sarah. »Du glaubst offenbar, dass du dir alles nehmen kannst und nicht einmal vorher fragen musst – nur weil du so tust, als seist du meine Freundin. Aber du bist nicht meine Freundin, und schon gar nicht meine Schwester. Und wenn wir hier rauskommen, dann will ich dich nie mehr wiedersehen. Nie mehr.«
Camilla starrte sie völlig verblüfft an und öffnete den Mund, um zu protestieren, aber Sarah war jetzt in voller Fahrt, und der ganze aufgestaute Schmerz brach aus ihr heraus. Camilla beteuerte, dass sie diesen Vorfall nicht bewusst herbeigeführt habe, doch das brachte Sarah noch mehr auf.
»Mir ist es verdammt gleichgültig, wer damit angefangen hat«, erklärte sie zornig. »Du wusstest genau, wie ich für Piet empfand. Und jetzt lass mich in Ruhe. Ich will nur noch meine Prüfungen ablegen und dann nach Hause fahren.«
Camilla setzte sich, blass und schockiert. Ihre übliche Gelassenheit war wie weggeblasen. »Du kommst mit mir nach Nairobi«, beharrte sie. »Du wirst bei mir wohnen. Alles ist schon vorbereitet.«
Plötzlich brach sie in Tränen aus, und Sarah wandte sich erstaunt um. Sie hatte Camilla noch nie weinen sehen. Ihr Körper zuckte. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen und schluchzte flehentlich.
»Bitte, Sarah. Bitte! Du musst mit mir kommen. Ich kann nicht allein nach Hause fahren. Du darfst mich jetzt nicht im Stich lassen. Ich brauche dich in Nairobi. Du und Hannah, ihr beide seid alles, was ich habe! Jetzt, da die Schule vorbei ist, müssen wir zusammenbleiben. Wir müssen – wir haben es uns geschworen.«
Wegen des Gelöbnisses gab Sarah schließlich nach, und so war sie schließlich doch in Nairobi gelandet. Am Abend nach ihrer Ankunft begegnete sie Marina Broughton-Smith zum ersten Mal und erkannte sofort, woher Camillas Schönheit kam. Mutter und Tochter besaßen das gleiche ovale, von aschblondem Haar umrahmte Gesicht, die gleichen blauen Augen und die gleiche zarte Haut, die gerade Nase und den perfekt geformten Mund. Eine Frau von Botticelli, dachte Sarah ein wenig bekümmert. Marinas Hände schienen ständig in Bewegung zu sein, sie flatterten überallhin, berührten flüchtig Kristallvasen und ledergebundene Bücher, verharrten einen Augenblick auf ihrem hellen Haar und nestelten an der Perlenkette an ihrem Hals. Ihre Gegenwart schien den Raum zu durchdringen und eine gewisse Unsicherheit zu verbreiten. Ihre Stimme klang hell und ein wenig atemlos, und sie lächelte häufig, aber in ihren Augen lag ein Ausdruck, der auf eine empfindsame Seele schließen ließ.
»Ich hoffe sehr, dass du die wenigen Tage in Nairobi genießen wirst, meine Liebe. Wie schön, dass Camilla eine Freundin mitgebracht hat! Sally Mackay, nicht wahr?« Marina beugte sich vor, und Sarah musste an Fotos der Queen denken, wenn sie
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