Himmel uber Langani
dazu. Nachts träumte sie immer noch von dem Moment, als das panga ihr die Haut aufschlitzte, und dann glaubte sie, den salzig-süßen Geschmack ihres Blutes auf der Zunge zu spüren. Die Wunde an ihrer Stirn pochte, als sie zum Telefon griff und Edwards Praxis wegen eines neuen Termins anrief.
»Sie sind eingenickt.« Plötzlich stand er vor ihr und hielt ihr den Mantel hin. Sie schlug die Augen auf. »Wir gehen in ein Lokal am Connaught. Da ist es verhältnismäßig ruhig.«
Er bestellte etwas zu trinken und runzelte leicht die Stirn, als Camilla ihre Zigaretten aus der Handtasche zog. Dennoch zündete sie sich eine an und nahm einen Schluck von ihrem Wodka.
»Meine Mutter hat Leukämie. Sie sagt, dagegen könne man nichts tun.«
»Es gibt neue Behandlungsmethoden, auch wenn sie unangenehme Nebenwirkungen haben. Sie ist doch noch so jung! Ihr Arzt müsste sie doch dazu überreden können.«
»Das möchte sie nicht. Außerdem meint der Spezialist, bei dem sie war, dass es vermutlich nichts nützen würde. Der Krebs sei schon zu weit fortgeschritten.«
»Vielleicht müsste man ihr noch einmal gut zureden. Was sagt denn Ihr Vater dazu?«
»Ich habe ihn noch nicht gesprochen. Er war verreist und sehr beschäftigt.« Camilla wirkte schlagartig verändert und drückte ihre Zigarette aus. »Danke für den Drink, aber ich muss jetzt wirklich gehen, Edward. Ich habe heute Abend noch einiges zu Hause zu erledigen. Ach, ich habe ganz vergessen, Sie zu fragen, ob ich noch mehr Beruhigungsmittel haben könnte. Ich leide immer noch an Albträumen und bin ständig so nervös.«
»Hören Sie, mir ist klar, dass es Ihnen schwer fällt, über Marinas Krankheit zu sprechen. Das tut mir Leid. Ich dachte nur, es würde Sie möglicherweise erleichtern, mir Ihr Herz auszuschütten«, erwiderte er.
»Das tut es auch. Ich habe es noch niemandem gesagt, und so musste ich es einfach loswerden«, gab Camilla zu.
»Ich weiß, dass sie momentan viel um die Ohren haben. Aber mit den Beruhigungsmitteln sollten Sie trotzdem vorsichtig sein, weil sie abhängig machen können. Ich stelle Ihnen ein Rezept über eine kleine Dosis aus, doch mehr bekommen Sie erst von mir, wenn wir uns darüber unterhalten haben. Außerdem möchte ich, dass Sie für unsere kleine Operation morgen frisch und ausgeruht sind. Warum also gönnen wir uns nicht ein leichtes Abendessen? Anschließend liefere ich Sie wohlbehalten zu Hause ab. Es wäre nämlich gar nicht ratsam, wenn Sie heute Abend rauchen, trinken und sich wegen Ihrer Mutter das Hirn zermartern.«
Das Restaurant, für das Edward sich entschied, war gut besucht. Seltsamerweise fühlte Camilla sich schon viel selbstbewusster, als der Geschäftsführer sie erkannte und ihnen einen Tisch in einer ruhigen Ecke zuwies. Nachdem sie bestellt hatten, lehnte sie sich bequem zurück.
»Haben Sie sich bei Ihren Besuchen in Kenia häufig mit meinen Eltern getroffen?«, fragte sie.
»Ja. Als ich das erste Mal zum Operieren dort war, haben wir uns auf einer Cocktailparty im Regierungsgebäude kennen gelernt. Danach habe ich Ihre Mutter häufig gesehen. Die Wohltätigkeitsorganisation, bei der sie engagiert war, hat die Krankenhausbetten für die von mir behandelten Kinder beschafft.«
»Ja, das passt zu ihr. Fremde Leute waren ihr schon immer wichtiger als ihre Familie.«
Er ging nicht auf ihre abfällige Bemerkung ein. »Sie waren immer sehr nett und gastfreundlich. Ihr Vater ist ein ausgesprochen charmanter und kluger Mann.«
»Nur dass der charmante George meine Mutter schon seit Jahren betrügt, was nicht sehr klug von ihm ist.«
Edward schwieg abwartend.
»Und zwar mit Männern. Ich habe es erst jetzt erfahren.«
»Ach, diese Entdeckung hat Sie sicher sehr gekränkt«, erwiderte er. »Untreue an sich ist schon schlimm genug, aber dann noch diese Sache … Ich kann verstehen, dass Sie Zeit brauchen, um das zu verarbeiten. In den letzten Monaten haben Sie zu viel wegstecken müssen.«
Beim Essen erzählte sie ihm die ganze Geschichte und schilderte ihre Kindheit und die seltsame Ehe ihrer Eltern, die sie mit einem Pas de deux zweier Skorpione verglich. Sie beschrieb, wie einsam sie sich gefühlt hatte und dass die Liebe zu ihrem Vater und die in der Schule geschlossenen Freundschaften die einzigen Konstanten in ihrem Leben gewesen waren. Nie hatte sie versucht, ihre Mutter zu verstehen, oder sich gefragt, warum Marina so unglücklich war.
»Daddy war der einzige Mensch, dem ich immer vertraut und den
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