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Himmel uber Langani

Himmel uber Langani

Titel: Himmel uber Langani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara und Stefanie Keating
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Also schwieg sie, und die Wogen glätteten sich wieder für eine Weile.
    Nun schob sie das Telefon weg, tastete mit den Füßen vorsichtig nach dem Boden und stöhnte auf, als ihr ein heftiger Schmerz durch den Kopf schoss. Auch die Augen taten ihr weh, und als sie einen Blick in den Badezimmerspiegel riskierte, bemerkte sie dunkle Schatten, die dringend überschminkt werden mussten. Eingeklemmt zwischen zwei Direktoren einer Strickwarenfirma, mit denen sie gerade einen Vertrag unterzeichnet hatte, hatte sie zu viel getrunken, denn nur Ströme von Champagner konnten verhindern, dass die plumpen Annäherungsversuchen der beiden Männer sie zum Gähnen brachten. Die Narbe auf ihrer Stirn war noch immer gerötet und außerdem schwer zu tarnen, wie sie feststellte, als sie sie mit finsterer Miene im Spiegel untersuchte. Achselzuckend schalt sie sich für ihre Ängstlichkeit, zog sich rasch an und warf Haarbürsten, Lockenwickler, Schminksachen und einen Apfel aus dem Kühlschrank in eine große Tasche. Auf dem Weg durchs Wohnzimmer griff sie nach den beiden Romanen, die sie gerade las, um sich die langen Wartezeiten zu verkürzen, während Scheinwerfer und Kulisse eingerichtet und die Kleiderkombination erst endlos erörtert und dann wieder verworfen wurde. Sie hatte zwar keine große Lust auf diese Fotositzung, war aber in der Auswahl ihrer Aufträge noch immer eingeschränkt. Keine Nahaufnahmen im Freien, damit ihr ja nicht das Haar aus dem Gesicht geweht wurde. Keine mehrseitigen Fotostrecken in den besseren Modezeitschriften, weil sie ihre Frisur nicht so drastisch verändern konnte, wie die wirklich guten Fotografen es verlangten. Camilla fühlte sich wie zweite Wahl, eine Vorstellung, die sie nervös machte.
    Die Wohnung bedeutete ein weiteres Problem. Da Marina die Treppen nicht mehr bewältigen konnte, mussten sie sich in Cafés und Restaurants oder in der Wohnung ihrer Eltern treffen, wenn ihr Vater auf Geschäftsreise war. Allerdings wollte Camilla ihr Zuhause nicht aufgeben. Ihre Mutter würde sie bald auch in einer ebenerdigen Wohnung nicht mehr besuchen können, falls keine wundersame Heilung eintrat. Dann wieder schämte sie sich ihrer berechnenden Gedanken. Ob andere Menschen, die sterbenskranke Angehörige hatten, die Dinge wohl ebenso herzlos betrachteten wie sie?
    In knapp zwei Wochen war Weihnachten, und Camilla ahnte, dass dieses Thema in den nächsten Tagen sicher aufs Tapet kommen würde. Bei der bloßen Vorstellung krampfte sich ihr der Magen zusammen. Bekannte vom Tatler hatten sie nach Marokko eingeladen, doch sie zögerte noch, das Angebot anzunehmen. Einerseits sehnte sie sich verzweifelt danach, ihrer momentanen Situation zu entfliehen, zu verreisen, in Ruhe gelassen zu werden und ihre Probleme wenigstens für ein paar Tage vergessen zu können. Wie schön wäre es gewesen, den Aufenthalt in einem exotischen Land zu genießen, auf das sie schon sehr lange neugierig war. Doch bestimmt würde Marina außer sich geraten, wenn sie über die Feiertage nach Marrakesch flog. Schließlich war es ihre letzte Chance, ein gemeinsames Weihnachtsfest zu verbringen. Und außerdem war da auch noch George. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Druck auf Camilla wieder zunehmen und sich ihr schlechtes Gewissen regen würde, weil sie sich standhaft weigerte, eine Versöhnung mit ihrem Vater auch nur in Erwägung zu ziehen.
    Als sie einige Stunden später an Marinas Tür läutete, war sie müde und niedergeschlagen. Die Haushälterin öffnete und nahm Camilla in der Vorhalle beiseite. Die sonst so fröhliche Frau, die ihr graues feines Haar in einem strengen Knoten trug, wirkte heute sehr bedrückt.
    »Seit gestern geht es ihr gar nicht gut«, sagte Mrs. Maskell. »Ich habe ihr angeboten, sie heute Nachmittag zum Arzt zu begleiten, aber sie wollte nichts davon hören. Später rief Dr. Hayford an, um sich zu erkundigen, ob sie auch gut nach Hause gekommen sei. Seine Sprechstundenhilfe hat sie in ein Taxi gesetzt, aber er hatte sich trotzdem Sorgen gemacht, weil sie so gebrechlich wirkte. Ihr Vater kommt am Wochenende zurück. Vielleicht fühlt sie sich dann wieder besser.« Sie schürzte die Lippen, um zu betonen, wie merkwürdig sie es fand, dass zwischen Vater und Tochter selbst in einer Situation wie dieser Funkstille herrschte.
    »Danke, Mrs. Maskell. Die Krankenpflegerin kommt gegen neun, und ich bleibe über Nacht.«
    Marina lag im Bett. Ihr Gesicht war grau, ihre Haut fahl. Außerdem bemerkte Camilla,

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