Himmel uber Langani
waren die Einzigen, für die sie gern ein Geschenk gekauft hätte. Doch sie fürchtete, sich eine Abfuhr zu holen, wenn sie jetzt Kontakt zu ihnen aufnahm. Als sie bedrückt darüber nachgrübelte, wie sie die Kluft zwischen ihnen überbrücken sollte, war ihr Gehirn auf einmal wie leer gefegt. Ob sie wohl je über sie sprachen oder sich Sorgen um sie machten? Da sie Sarahs erste Briefe nicht beantwortet hatte, schrieben die beiden ihr nicht mehr. Camilla erinnerte sich nicht, was sie bei ihrem letzten Telefonat zu Sarah gesagt hatte, denn sie war wegen ihres Vaters außer sich und zudem betrunken gewesen. Andererseits hätte sie ihr Problem auch gar nicht in einem Brief erklären können, weil das einen Verrat an ihm bedeutet hätte. Sie war gekränkt, weil ihre besten Freundinnen nicht selbst dahinter gekommen waren, dass in ihrem Leben etwas schrecklich im Argen lag. In ihren Träumen sah sie immer wieder Anthony vor sich. Doch er befand sich stets außer Reichweite, stand entweder, ihr den Rücken zukehrend, auf der anderen Seite einer Schlucht oder blickte sie über ein loderndes Lagerfeuer hinweg an, ohne zu bemerken, dass sie nach ihm rief oder vergeblich die Hand nach ihm ausstreckte. Außerdem wurde sie weiterhin von Albträumen gequält, in denen Messer, Gebrüll und Schüsse eine Rolle spielten. Schlaf fand sie nur, wenn sie eine Tablette nahm.
Sie war bereits im Treppenhaus, als sie sich fragte, warum sie überhaupt nach Hause gefahren war. Da ihr Knöchel schmerzhaft protestierte, musste sie auf dem Treppenabsatz Halt machen. Auf einem Bein stehend, verfluchte sie sich für ihre eigene Dummheit. Endlich hatte sie ihr friedliches Wohnzimmer erreicht und war allein, doch es gelang ihr nicht, die Erinnerung an die Auseinandersetzung mit Giles Hannington zu verscheuchen. Mit dem Liebhaber ihres Vaters. In der Küche kochte sie sich einen starken Tee und sah dann ihre Post durch. Nachdem sie Schecks für zwei überfällige Rechnungen ausgestellt hatte, ging sie ins Schlafzimmer, wo sie Kleider und Accessoires für den kommenden Tag auswählte und zusammen mit ihren Büchern in eine Tasche stopfte. Als sie fertig war, schossen ihr immer wieder scharfe Stiche durchs Bein. Ein Glas in der Hand, setzte sie sich vor den Fernseher, um sich die Nachrichten anzuschauen, doch die Aufzählung der aktuellen Katastrophen wurde vom Läuten des Telefons unterbrochen.
»Wie geht es Ihnen, Camilla? Ich habe gestern versucht, Sie zu erreichen, aber Sie waren nicht da.«
Eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust, mit Edward zu sprechen, weshalb ihre Antworten ziemlich einsilbig ausfielen. Allerdings ließ er sich nicht so leicht abwimmeln, und sie kannte bereits seine freundliche, aber beharrliche Art, anderen Menschen Informationen zu entlocken. Irgendwie brachte er es immer fertig, dass sie seine Fragen zu guter Letzt doch beantwortete, was sie ärgerte, weil sie sich ihm dadurch ausgeliefert fühlte.
»Ich habe bei meiner Mutter übernachtet«, erwiderte sie schließlich. »Und ich fahre auch gleich wieder hin. Sie fühlt sich zurzeit nicht gut.«
»Meinen Sie, sie hätte etwas dagegen, wenn ich auf einen Drink vorbeischaue? Vielleicht heitert sie das ja auf. Was glauben Sie?«
»Warum rufen Sie sie nicht selbst an? Wenn Sie hinfahren, muss ich mich jetzt nicht in den Feierabendverkehr stürzen.«
»Eigentlich wollte ich Sie auch sehen, Camilla. Ich habe gehofft, Sie heute Abend dort anzutreffen.«
Edwards Gesellschaft war einem Abend allein mit ihrer Mutter durchaus vorzuziehen. Dann würde Marina nicht stundenlang in ihren winzigen Essensportionen herumstochern oder vor dem Fernseher einschlafen.
»Die Haushälterin bereitet immer etwas zum Abendessen vor. Sie könnten also einen Happen mitessen, wenn Sie möchten«, sagte sie. »Allerdings ist alles nur improvisiert, und Mutter geht möglicherweise bald ins Bett. Außerdem habe ich mir den Knöchel verstaucht und bin auch nicht in Topform.«
»Ich hole Sie ab. Aber wenn ich mir den Verkehr vor meinem Fenster anschaue, wird es etwa vierzig Minuten dauern.«
Er brachte Champagner und gewaltige Mengen Kaviar mit und ging sofort in die Küche, um Toastecken zuzubereiten. Marina war bester Stimmung, trank in kleinen Schlucken und flirtete mit ihm. Beide schwelgten in amüsanten Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit in Nairobi und London. Marinas Gesicht war gerötet, und ihre Augen glänzten leicht fiebrig, aber sie war ausgezeichneter Laune. Offenbar war es eine
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